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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: SAMY DELUXE’ ALTER EGO RAPPT IM HAMBURGER THALIA THEATER Sarkasmus-Spektakel mit Herrn Sorge

Von KLU

Ein junger Mann, blaue Kappe, blauer Sweater, legt die breite Stirn in Falten. Er muss sich nach vorne beugen und gut zielen mit seinem Smartphone: Die weißen Balkone, die den Saal des Hamburger Thalia Theaters rahmen, passen schwer auf ein Foto. Zwei Reihen vor ihm sitzt einer, der die Sache mit der Location ernster genommen hat. Zu seiner Cap trägt er Nadelstreifensakko. Vorne, neben dem schweren Samtvorhang, hat jemand seine Bierflasche abgestellt.

Es wird dunkel im Saal. „Wuh!“, ruft ein Fan in die Schwärze. Als sich der Vorhang öffnet, ist die Bühne in buntes Licht getaucht. Da ist eine Frau in einem Kleid aus rosa Tüll, ein Geiger mit Hut, ein Gitarrist, dessen Kopf in einer Strumpfmaske steckt, und oben, auf einem meterhohen Gestell aus Tarnnetz, haben sie dem DJ mehrere Gummiarme an den Rücken geklebt. Diese Band erinnert an eine Mischung aus Mittelaltermarkt und Geisterbahn.

Mit einem kleinen Ruck wird der Rapper Samy Deluxe durch eine Falltür nach oben gefahren. Er erscheint voll kostümiert. Applaus. Samy Deluxe hat die Augen dunkel geschminkt. Die Hände in den fingerlosen Handschuhen dreht er in der Luft. Er beobachtet seine Finger, tänzelt mit gekreuzten Beinen auf den Zehenspitzen – trüge er keinen Zylinder, könnte man ihn für einen metrosexuellen Piraten halten.

„Hallo, ich bin Herr Sorge“, singt Samy. Seine Stimme verzerrt der Computer. „Ich seh die ernste Welt durch eine Brille aus Zynismus, Sarkasmus und reichlich Humor.“ Das Publikum blickt ihn an. Er legt zwei Finger an sein Ohr. „Wuh!“, machen die Fans. Dann geht es los, mit Zynismus, Sarkasmus und reichlich Humor.

„Fröhliche Weltuntergangsgala“ hat Herr Sorge seine Albumpräsentation genannt. Er nimmt am 20. Dezember, am Vorabend des Weltuntergangs, zwischen den Songs immer wieder einen Zettel in die Hand und lässt eine große Leinwand mit Youtube-Clips bespielen: Mönche, Sitzblockaden, Flutwellen, Hamster. „Live-Schalte zum Weltuntergang“, sagt Herr Sorge.

Denn nicht nur lustig, auch politisch soll es an diesem Abend werden. „Erschreckt vom Schicksal der Delfine, aß ein Thunfischsandwich und dachte, ich helf’ ihnen“, reimt er. Die Fans lachen. Herr Sorge ergänzt: „Das Thalia Theater bietet in der Pause Thunfischsandwich und Pandaburger an.“ Die Fans schweigen, Herr Sorge lächelt. „Kann sein, dass nach diesem sarkastischen Kommentar keine zweite Hälfte folgt.“

In der zweiten Hälfte dröhnen Beats, es fliegt Konfetti. Zwei Zuschauer stehen auf, ziehen einen dritten am Ärmel nach oben, Andere erheben sich. „In Stuttgart kommt der Weltuntergang später und wird teurer als geplant“, kalauert danach Herr Sorge. Die Fans setzen sich.  KLU