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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: HAMBURGS NEUES KLO-HÄUSCHEN FÜR OBDACHLOSE Spülwasser aus der Elbe

„Besetzt“, ruft eine Frauenstimme aus der linken Kabine des Klo-Häuschens. In der anderen Kabine regt sich nichts, es ist offen: Ein Pissoir, gerade genug Platz, um sich im Kreis zu drehen. Dann öffnet sich plötzlich die linke Tür – ohne dass eine Toilettenspülung gerauscht hätte. Es gibt keine. Kein Waschbecken, kein Desinfektionszeug. Dafür Gestank, schon seit drei Tagen, seit das Plumpsklo aufgestellt worden ist. Die Frau geht zu ihrem Lager unter der Brücke. Zwei Männer spielen dort mit Hunden: „Hey Scooby-Doo, raus aus meinem Schlafsack!“

Noch im Oktober sagte Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD), dass bei der Kersten-Miles-Brücke zwischen Reeperbahn und Landungsbrücken eine Toilette mit 14 Kabinen denkbar sei. Nicht nur für Obdachlose, sondern auch für Touristen, deren Busse am Wochenende unter der Brücke parken. Preis laut Schreiber: 500.000 Euro. Nun ist eine Sparversion verwirklicht worden: 20.000 Euro hat sich die Stadt das Klo kosten lassen.

„Rausgeschmissenes Geld, für die Stadt ist irgendwie alles teurer als normal“, findet Paule, der sich mit zehn anderen unter der Kersten-Miles-Brücke eingerichtet hat. Er zeigt auf einen Eimer neben dem Plumpsklo: „Unser Kollege geht immer runter an die Elbe und holt Wasser zum hinterherkippen.“ Ein Dixi-Klo sei hygienischer, findet Paule. Weil es öfter geleert würde.

Im Sommer sind unter der Kersten-Miles-Brücke für rund 100.000 Euro Felsbrocken und unebene Pflastersteine verlegt worden. Doch weiterhin schliefen hier Obdachlose. Im September wurde der Bereich dann mit einem 2,80 Meter hohen Stahlzaun abgesperrt. Es hagelte Proteste gegen die obdachlosen-feindliche Politik von Bezirksamtsleiter Schreiber. Zwei Wochen später war der Zaun wieder weg.

„Das Häuschen ist zwar besser als nichts“, sagt Paule und fährt sich durch den gepflegten Bart, „aber das hält nicht lange.“ Die Holzverkleidung hat Risse und das Fundament bröckelt bereits an den Seiten. Die strahlend weißen Innenwände seien eine Einladung für Filzstift-Künstler, sagt Paule. Und auf dem Donnerbalken gebe es noch nicht mal eine Ersatzrolle Klopapier.

„Wir haben das für einen Geräteschuppen gehalten“, sagen Barbara und Niki aus Österreich, die gerade auf dem Weg zur Hafenrundfahrt sind. Von der Straße gibt es keinen direkten Weg zum Klohäuschen, das einige Meter höher hinter einem Gebüsch steht. Die Eingangstüren sind auf der Rückseite, kein „WC“-Schild lädt vorbeikommende Touristen ein.

Am Vorabend seien sie auf der Alster geschippert, sagen Barbara und Niki. „Hamburg ist so eine reiche Stadt – wie kann es sein, dass sich die Obdachlosen hier noch nicht mal die Hände waschen können?“ Benutzen möchten sie es aber lieber nicht. „Es ist schon gut, dass die Obdachlosen ihre eigene Toilette haben und die Touris auch.“

ALEXANDER KOHN