ORTSTERMIN: DER HAMBURGER BUND DER STEUERZAHLER GIBT EINEN AUS : 48 Kästen Freibier – und keiner geht hin
MARCEL SCHWEITZER, BUND DER STEUERZAHLER
Auf dem mattgrünen Teppich stapeln sich die Bierkästen, auf den Stehtischen liegen Salzgebäck und Broschüren aus. Marcel Schweitzer hat alles vorbereitet für den großen Ansturm. Der 31-Jährige ist Geschäftsführer des Hamburger Bundes der Steuerzahler, der die Bevölkerung am vergangenen Mittwochabend zu Freibier eingeladen hat. Denn es gibt etwas zu feiern: Ab dem 6. Juli arbeiteten die Deutschen wieder in die eigene Tasche, sagt Schweitzer. Alles vor diesem Datum erwirtschaftete Geld sei an den Staat abgeführt worden.
Nun steht Schweitzer in der Geschäftsstelle zwischen Alster und Mönckebergstraße und wartet. Doch die Leute wollen nicht kommen. Wenigstens einer ist da, „ein Promi“, wie Schweitzer sagt. Wieland Schinnenburg, Vizepräsident der Bürgerschaft, nippt an einem Alsterwasser. „Der Staatsanteil muss verringert werden“, sagt der Liberale, „und das Renteneintrittsalter deutlich über 67 hinaus erhöht werden.“ Schweitzer nickt.
Um 19 Uhr nimmt Schinnenburg seinen letzten Schluck und verabschiedet sich zu einer Sitzung. Nun ist Schweitzer wieder allein, flankiert nur von seinen drei Mitstreitern der Geschäftsstelle und einem Hund, der sich müde in eine Ecke verzogen hat und alle Viere von sich streckt. Das Bier wird lauwarm, die Atmosphäre im grellen Licht der Neonröhren nicht gemütlicher. An den Wänden hängen alte Werbeplakate für den Steuerbund und ausgedruckte Tabellen, welche die Abgaben der Hamburger ausweisen. „Es ist nicht so, dass wir keine Steuern zahlen wollen“, sagt Schweitzer. „Aktuell sind wir in Hamburg gegen eine Steuersenkung, wohl aber für Schuldentilgung.“ Im vergangenen Jahr sei der „Steuerzahlertag“ noch zwei Tage früher gefeiert worden, erzählt er. „Keine gute Entwicklung.“
Seit zehn Jahren engagiert sich Schweitzer beim Steuerzahlerbund. Er ist angetreten, um das verstaubte Image der Organisation mit ihren 5.500 Hamburger Mitgliedern zu ändern. „Wir gelten als geizig“, sagt er und greift in die Schale mit den Salzbrezeln. „Und es heißt, wir seien aus Kostengründen gegen alles.“ Dabei würden sie doch konstruktiv diskutieren und unabhängige Analysen machen. Zumindest den Vorwurf, geizig zu sein, führt Schweitzer auf eindrückliche Art und Weise ad absurdum. 1.152 Flaschen Bier, verteilt in 48 Kästen, hat er für das Fest geordert. Bis zum Ende der Veranstaltung taucht aber nicht mehr als ein Dutzend Leute auf. „Die Resonanz ist furchtbar“, sagt Schweitzer traurig. „Auf Facebook hatten sich doch 40 Leute für den Event angemeldet.“ DENNIS BÜHLER