OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Die Krankenschwester Betsy Connell (Frances Dee) glaubt sich verbessert zu haben: Aus dem verschneiten kanadischen Ottawa fährt sie auf die Tropeninsel St. Sebastian, um dort die Pflege einer Patientin zu übernehmen. Doch schon auf der Überfahrt warnt sie ihr Arbeitgeber, der Plantagenbesitzer Paul Holland (Tom Conway), vor den westindischen Inseln: „Hier gibt es keine Schönheit. Nur Tod und Verfall.“ Damit ist man dann auch als Zuschauer entsprechend eingestimmt auf Jacques Tourneurs Klassiker „I Walked with a Zombie“ (1943). Denn Betsy trifft auf der Plantage nicht nur auf eine ausgesprochen dysfunktionale Familie, sondern auch auf eine Patientin, die angeblich nach einem überstandenen Tropenfieber den Verstand verloren hat. Mrs Holland ist völlig willenlos und stumm, nur der Körper funktioniert noch: Sie wirkt wie ein Zombie, und das glauben bald nicht mehr nur die schwarzen Karibikbewohner mit ihren Voodoo-Göttern. Die Schatten, die von der tropischen Sonne durch die Lamellen der Fensterläden geworfen werden, die irreale Gestalt der Kranken, die mit wehenden Gewändern durch den wild wuchernden Garten schreitet: Tourneur inszeniert das Unheimliche nicht als platten Schrecken, sondern als düstere Poesie. Und auch die Frage nach der Wirksamkeit von Voodoo und der Existenz von Zombies geht der Film sehr geschickt aus dem Weg: Vielleicht ist das alles ja nur das Produkt einer überreizten Fantasie. (OF, 12./13. 6. im Filmkunst 66)
Eventuell erinnert sich der eine oder die andere noch an die Diskussionen, die in den 1970er Jahren mit den Eltern immer dann stattfanden, wenn man im Fernsehen Zeichentrickfilme sehen wollte. Extreme Gewalttätigkeit lautete damals der Vorwurf an diese Art der Unterhaltung – für Kinder nicht geeignet. Tatsächlich aber geht es in den klassischen Cartoons gar nicht um Gewalt, sondern um die Darstellung physischer Unmöglichkeiten. Und die konnte man im Zeitalter vor der Computertechnik eben nur im Zeichentrick erreichen. Der Meister dieser Art von Film hieß Fred „Tex“ Avery, der in seinen Werken Logik und physikalische Gesetze schlicht außer Kraft setzte: Da zerbricht eine Katze dann schon einmal wie eine Porzellanfigur und der Wolf landet bei einer Verfolgungsjagd mit zu viel Schwung in der Perforation des Films. „In a cartoon you can do anything“, sagt einmal eine von Averys Figuren, und dieses Motto galt konsequent für die gesamte Karriere des texanischen Regisseurs. In „Best of Tex Avery“ sind elf seiner schönsten Filme aus der Phase seiner Tätigkeit bei MGM (1942–1955) zu sehen. (OF, 12.–15.6. im Regenbogenkino)
Zwei Personen und ihre komplizierte Beziehung stehen im Mittelpunkt von Giuseppe Piccionis melancholischem Drama „Licht meiner Augen“ (2001): Antonio lebt in einer Traumwelt, die alleinerziehende Mutter Maria hat hingegen zu viele alltägliche Probleme, als dass sie sich auf Antonios Aufmerksamkeiten überhaupt einlassen könnte. Einsamkeit in der Großstadt, in kühlen Farben und mit überzeugenden Darstellern. (14. 6. im Babylon Mitte) LARS PENNING