OAU-GIPFEL VERTAGT DIE GRÜNDUNG EINER „AFRIKANISCHEN UNION“: Afrikanische Vielfalt
Afrika kann aufatmen. Libyens Führer Gaddafi hatte am symbolträchtigen 9. September 1999 – der 9. 9. 99 sei „einfach zu merken“, erklärte der Araber Gaddafi seinen schwarzen Amtskollegen damals mit untrüglichem diplomatischem Gespür – eine „Afrikanische Union“ ins Leben gerufen. Sie sollte ab März 2001 Realität werden und Afrika endlich in eine geeinte Großmacht verwandeln. Die afrikanischen Staatschefs haben diesem Plan nun auf dem Jahresgipfel der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) vorerst eine Absage erteilt.
Das ist gut so. Aus weiter Entfernung wird Afrika zwar gerne als Kontinent der Kleinstaaterei gesehen, dessen Länder jedes für sich viel zu schwach seien, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Aber in Wirklichkeit sind die meisten Staaten Afrikas nicht zu klein, sondern zu groß. Ihre Regierungen sind ideell und geografisch unerreichbar weit weg von den Bürgern und leben in einer Sphäre für sich, in ebenjener „Präsidentengewerkschaft“ OAU, abgekoppelt von ihren Völkern.
Auf der Mikroebene ist Afrika viel vielfältiger, als es seine 53 Staaten erkennen lassen. Die meisten inneren Krisen afrikanischer Länder sind darauf zurückzuführen, dass Bevölkerungsteile sich lieber selbst regieren wollen, statt von einer fernen Hauptstadt dominiert zu werden. Gäbe es einen Bedarf, Afrikas Landkarte zu verändern, dann müsste dieser nicht durch Vereinigung eingelöst werden, sondern durch Zerschlagung festgefahrener Staatswesen und die Rückgabe der Macht an die Völker Afrikas. Davon allerdings wird kein afrikanischer Staatschef je reden.
Doch in immer mehr afrikanischen Staaten wächst das Bewusstsein, dass das Zusammenleben von Menschen in derselben politischen Struktur keine Selbstverständlichkeit ist, sondern aus der Gesellschaft heraus legitimiert sein muss, und dass es daher erlaubt sein sollte, die politischen Gegebenheiten von Grund auf in Frage zu stellen. Vielleicht müsste neben die „Organisation für Afrikanische Einheit“ der Präsidenten eine „Organisation für Afrikanische Vielfalt“ der Menschen treten, damit tatsächlich ganz Afrika an der Debatte um die Zukunft des Kontinents teilnehmen kann.
DOMINIC JOHNSON
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