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Nutzung von KlärschlammDünger, Brikett oder Abfall?

Millionen Tonnen von Klärschlamm werden jährlich in Deutschland produziert. Jetzt wird diskutiert, ob die unappetitliche Suppe weiterhin als Dünger genutzt werden darf.

Vom Klo aufs Feld. Das Problem dabei: Lösungsmittel und Farben, die achtlos in die Toiletten geschüttet werden. Bild: dpa

Jeder macht ihn, keiner will etwas mit ihm zu tun haben: Klärschlamm. Etwa 2,3 Millionen Tonnen Klärschlammtrockenmasse werden jährlich in Deutschland produziert. Was damit künftig geschehen soll, ist strittig. Geregelt wird der Umgang mit der unappetitlichen Suppe in der Klärschlammverordnung von 1992, die derzeit überarbeitet wird. Hauptstreitpunkt ist, ob und in welchem Umfang Klärschlamm auch künftig als Dünger in der Landwirtschaft verwendet werden darf - oder aber verbrannt werden muss.

Der Entwurf sieht derzeit vor, dass Klärschlamm auch weiter landwirtschaftlich genutzt werden darf, die Grenzwerte für darin erhaltene Schadstoffe sollen aber sinken. Klärschlämme sind mit einer unüberschaubaren Zahl von Schadstoffen belastet; wie viele der rund 80.000 bekannten Stoffe letztlich in der Toilette oder im Waschbecken landen, weiß niemand. Allerdings finden sie sich meist in niedrigen Konzentrationen.

"Das ist ein komplexes Geschehen", sagt der Mikrobiologe Klaus Hoppenheidt vom Bayerischen Institut für Angewandte Umweltforschung und -technik (bifa) in Augsburg. Es gebe keine ausreichenden Untersuchungen darüber, wie diese Stoffe bei dauerhafter Anwendung in der Umwelt wirkten, so der Experte.

Ins Abwasser gelangen Kosmetika, Reinigungsmittel, Nahrungsreste, Medikamente - aber auch, illegal, etwa Farben oder Lösungsmittel. "Darunter sind Substanzen, die teilweise ganz oder gar nicht abgebaut werden", sagt Hoppenheidt. So sollen sich beispielsweise Kontrastmittel, die Patienten bei Röntgenuntersuchungen gespritzt werden, gerade nicht leicht abbauen und werden vom Körper wieder ausgeschieden. Sie finden sich dann auch im Abwasser stabil wieder.

"Bisher sind neue Chemikalien gar nicht daraufhin getestet worden, wie sie später auf die Umwelt wirken", kritisiert Hoppenheidt, "und das Zusammenspiel verschiedener Stoffe ist auch zu wenig untersucht."

Während über giftige Chemikalien im Klärschlamm immerhin diskutiert werde und mit der EU-Chemikalienrichtlinie REACH auch Lösungsansätze vorhanden seien, blieben die hygienischen Probleme außen vor, warnt er. So fänden sich in durchaus relevanten Mengen Krankheitserreger, Viren, Bakterien und Salmonellen. Sie müssten abgetötet, der Schlamm müsse "hygienisiert" werden, bevor er auf dem Acker landet.

Möglich sei dies durch Erhitzen, Kompostieren oder die Behandlung mit Kalk, so der Wissenschaftler. Sein Fazit: Der Einsatz von Klärschlamm in der Landwirtschaft sei - in dünn besiedelten und armen Flächenländern - vertretbar, wenn niedrige Schadstoffgrenzwerte eingehalten und der Schlamm von Krankheitskeimen befreit sei.

Länder wie Bayern und Baden-Württemberg hingegen würden den Einsatz von Klärschlamm auf dem Acker am liebsten verbieten. "Wir werben intensiv für einen Ausstieg", sagt Karl Franz, Sprecher des Umweltministeriums in Stuttgart. Schon jetzt würden kaum noch Klärschlämme auf die Äcker gekippt, 70 Prozent der Schlämme werden verbrannt. Da Rohstoffe zur Energiegewinnung immer teurer würden, lohne sich das auch finanziell.

Klärschlamm besteht aber überwiegend aus Wasser und muss erst aufwendig getrocknet werden, bevor er im Ofen landen kann. Damit bei den Prozessen der Trocknung und Verbrennung nicht mehr Energie verbraucht als erzeugt wird und die entstehende Abwärme auch noch sinnvoll genutzt werden kann, werden derzeit verschiedene Techniken getestet, die aber noch im Modellstatus stecken.

Trotzdem lohnten sich Investitionen in diese Techniken, sagt Franz, denn der Einsatz in der Landwirtschaft sei unverantwortlich. Es gebe umfangreiche Studien, die zeigten, dass Klärschlamm eine Schadstoffsenke sei. Und die darin enthaltenen Nährstoffe ließen sich auch bei einer Verbrennung sichern, meint Franz: "Das ist nur eine Frage von Verfahrenswegen."

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1 Kommentar

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  • DP
    Dr. Petra M. Bloom

    Sehr geehrte Redaktionsmitglieder der TAZ,

    sehr geehrte Frau Holdering,

    mit Bedauern müssen wir feststellen, dass Sie bei Ihrer Recherche zu dem oben genannten Artikel offensichtlich einer tendenziösen Pressemitteilung aus Bayern aufgesessen sind.

    Wir sind ein Qualitäts- und Interessenverband von Klärschlamm als Dünger verwertenden Landwirten, Unternehmen und Kommunen und müssen leider immer wieder feststellen, dass die Düngung mit Klärschlamm für reißerische Schlagzeile in der Presse herhalten muss. Aus diesem Grund haben wir in unserer Satzung das Ziel formuliert, die Öffentlichkeit sachlich und fachlich korrekt über ein anerkanntes, althergebrachtes und sinnvolles Verfahren des Nährstoff-Recyclings zu informieren. Daher hier einige Fakten:

    Hintergrund der Pressemitteilung aus Bayern ist der Beschluss des bayerischen Ministerrats aus dem Jahr 2001 zum konsequenten Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Verwertung, um das gesamte Klär-schlammaufkommen in die Verbrennungsöfen zu schicken. Der Einfluss und die handfesten Interessen der Atom- und Energiekonzerne liegen dabei auf der Hand.

    Die bayerische Klärschlammpolitik ist nicht zeitgemäß. Besonders die letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass aufgrund von endlichen Phosphatreserven, negative Humusbilanzen, Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit ein Umdenken bei der Bewertung von Sekundärrohstoffdüngern erforderlich ist. Klärschlamm besteht zu mehr als 99 % aus pflanzenbaulich nutzbaren Nähr- und Humusstoffen und ist daher als „Nährstoffsenke“ zu bezeichnen. In Anbetracht der steigenden Düngemittel-, Energie- und Rohstoffpreise haben die Landwirte den ökonomischen und ökologischen Nutzen von Sekundärrohstoffdüngern längst erkannt.

    Mit Verlaub, Klärschlamm ist weder eine „unappetitliche Suppe“, der auf die „Äcker gekippt“ wird, noch will „keiner etwas mit ihm zu tun haben“. Die landwirtschaftliche Verwertung von (vornehmlich entwässertem oder kalkstabilisiertem) Klärschlamm erfolgt unter strengsten behördliche Kontrollen auf hohem technischem Niveau. Die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung ist sowohl durch das Düngemittel- als auch durch das Abfallrecht geregelt und kontrolliert. Nicht zu unrecht wird Klärschlamm von Experten als „best kontrolliertes Düngemittel“ tituliert. Darüber hinaus bestehen zurzeit intensive Bemühungen, zusätzliche freiwillige Qualitätssicherungssysteme rechtlich zu verankern und weiter voranzutreiben.

    Noch einige Wort zur von Bayern und Baden-Württemberg angepriesenen Klärschlammverbrennung: Darf es sich unsere Gesellschaft erlauben, wichtige Phosphatreserven ungenutzt in den Ofen zu schieben? Welche Stoffe werden mit der Abluft in die Atmosphäre geblasen? Wer zahlt die Investitionskosten für „neue“ Verbrennungstechniken? Der Verlierer ist immer der Verbraucher, und wer gewinnt…..?

    Für Ihre zukünftigen Berichte über die Verwertungswege von Klärschlamm stellen wir Ihnen gerne ausgewogene Informationen zur Verfügung. Auch für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung und verbleiben

    mit freundlichen Grüßen

    Dr. Petra M. Bloom

    Bundes-Qualitätsgemeinschaft Sero-Dünger e.V.

    www.bqsd.de