medizinethik : Nuremberg Code wird 60 Jahre
Vor sechsig Jahren, am 20. August 1947, ging der Nürnberger Ärzteprozess zu Ende. Sieben Todesurteile und neun Gefängnisstrafen, zum Teil lebenslängliche, verhängte das US-Militärgericht. Sieben der wegen Medizinverbrechen an KZ-Häftlingen Angeklagten wurden freigesprochen. Als Verpflichtung für die Zukunft formulierte das Militärgericht seinerzeit den Nürnberger Kodex. Eine der wesentlichen Grundaussagen des „Nuremberg Code“ war, dass medizinische Forschung sich am Nutzen des Patienten orientieren müsse. Ärztliche Eingriffe und Forschung am Menschen dürften nur mit einer „informierten“ Zustimmung des Patienten oder Probanden stattfinden. Sinngemäß ist dieser Grundsatz auch in die Leitlinien der Ärzte übernommen worden: 1948 in das „Genfer Gelöbnis“ und 1964 in die „Deklaration von Helsinki“ des Weltärztebundes. Seitdem jedoch findet eine schleichende Erosion statt. „In der aktuellen Version von 2004 ist die Ursprungsfassung der Helsinki-Deklaration kaum noch zu erkennen“, schreibt der frühere, langjährige Chefredakteur des Deutschen Ärzteblattes, Norbert Jachertz, in dem Magazin. Der individuelle Nutzen des Patienten ist zunehmend in den Hintergrund getreten. Heute reicht oftmals schon ein gesellschaftlicher Nutzen zur Rechtfertigung von Forschung am Menschen aus. Auch Patienten, die überhaupt nicht in der Lage sind, eine informierte Einwilligung abzugeben, dürfen mittlerweile unter bestimmten Bedingungen für fremdnutzige Forschungvorhaben „genutzt“ werden. WOLFGANG LÖHR