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Nur für das Auto

■ BUND und ADFC: Verkehrspolitik ist unökologisch und ziellos / Beerdigt die SPD ihre alten Ziele?

Zwei Tage vor der entscheidenden Sitzung des Koalitionsausschusses haben BUND und ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) eine vernichtende Einschätzung der Verkehrspolitik der großen Koalition vorgetragen. Ein einziges Trauerspiel seien die Schachereien und politischen Ränkespiele um einzelne Projekte, ziel- und konzeptlos sei die Landespolitik. Von Ökologie und Umweltschutz sei überhaupt keine Rede mehr. „Wenn über einzelne Verkehrsprojekte diskutiert wird, dann nur noch unter finanz- und wirtschaftspoltischen Aspekten“, kritisierte der Verkehrsreferent des BUND, Peter Müller. Nahezu alle Schlüsselprojekte des ÖPNV würden derzeit in Frage gestellt, blockiert oder gekippt, und das zu Lasten der Fußgänger und FahrradfahrerInnen.

Die aber machen nach Angaben des ADFC nahezu die Hälfte aller VerkehrteilnehmerInnen in Bremen aus – umso unverständlicher und skandalöser sei ihre völlige Mißachtung durch die Verkehrspolitik, empörte sich auch Dieter König, Fahrradexperte beim ADFC. „Es ist absurd, daß man sich in den Ausschüssen über 400.000 Mark mehr oder weniger für den Radwegebau die Köpfe heiß redet und für den Hemelinger Tunnel mal eben eine halbe Milliarde Mark verbuddelt“, so König. 1995 standen im Bremer Haushalt jährlich 1,6 Millionen Mark für die Sanierung und den Ausbau des Radwegenetzes zur Verfügung. Im Doppelhaushalt 96/97 sollen es, geht es nach dem Willen des Bausenators, nur noch insgesamt 1,2 Mio Mark sein.

Auch das ökologische Schlüsselprojekt des ÖPNV-Konzeptes von 1989, die geplante Straßenbahnlinie 4 nach Lilienthal, steht nach Einschätzung des BUND auf der Abschußliste der Verkehrspolitiker. Vor zehn Jahren sei die Linie 4 unter einem SPD-Senat erstmalig in die Planung aufgenommen und seither durch drei umfangreiche externe Gutachten auf Wirtschaftlichkeit überprüft und für gut befunden worden. Mit schlechter Polemik und einem zweifelhaften Gutachten versuche die CDU nun, Stimmung gegen dagegen zu machen, steht in dem Papier der Verkehrsexperten von BUND und ADFC. Der Bau der Linie 4, Kostenpunkt rund 100 Mio Mark, sei aber allen Unkenrufen zum Trotz eine beschlossene Sache. „Wir erwarten von der SPD, daß sie die Linie 4 notfalls zur Koalitionsfrage macht“, fordern BUND und ADFC.

Daran mögen die ökologischen Verkehrsexperten allerdings selbst nicht recht glauben. Am kommenden Donnerstag werden im Koalitionsausschuß von CDU und SPD die strittigen Projekte Linie 4, Hemelinger Tunnel und Messehallen beraten: „Die Chancen stehen denkbar schlecht für alle Vorhaben, die nicht konsensfähig sind, und das sind fast alle ÖPNV-Projekte“, befürchtet Peter Müller. „Was übrig bleibt von der Verkehrspolitik, ist das Durchziehen der Straßenbauprojekte wie die A 281, Hafenrandstraße oder Hemelinger Tunnel. Bremen kriegt die Asphaltkeule übergebraten.“ sal

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