: Nur ein kleines bisschen Soul zum Abschied
■ Die alte, gut geölte Konzertmaschine „Incognito“ servierte ein durchkalkuliertes Funkjazzprogramm
„Incognito“ war eine fehlerlos ablaufende Konzertmaschine. Zwölf Vollprofis ließen auf der Bühne die Grooves auch nicht einen Beat lang schleifen. Bandleader Jean Paul Maunick scheint keinerlei Ehrgeiz zu haben, der Band einen unverwechselbaren Sound zu geben. Sie klang oft wie „Earth, Wind and Fire“ oder „Blood, Sweat and Tears“, und bei den Gesangspassagen sogar wie ... halt, jetzt muss ich mich doch unterbrechen. Aber die Versuchung war groß, einfach meine oben zitierte Kritik eines Konzerts von „Incognito“ von 1993 im Modernes nochmal abdrucken zu lassen, denn nichts hat sich verändert. Gut, damals waren es drei SängerInnen und ein Perkussionist, heute dagegen vier VokalistInnen, aber die „Konzertmaschine“ stampft noch genau so gut geölt wie damals.
Eine genau durchkalkulierte Mischung aus Funk, Jazzrock und Dancefloor-Drive, alles mit der gleichen Dynamik gespielt – das gefällt dem Zielpublikum, das allerdings inzwischen das Moderne nicht mehr ganz so gut füllt wie in den 80ern, als „Incognito“ als Trendsetter von London aus zuerst den Jazzfunk und dann die Acid-Jazz Welle anschoben. Präzise und sehr schwarz gespielte Bläsersätze, eine genau getimte Rhythmusgruppe, Vokalisten, die immer exakt den Ton und die Stimmung treffen – es sind gute Handwerker in dieser Band, und die können Jahr für Jahr das gleiche Funkjazzprogramm hinzimmern. Dabei ist von der 1993er Band wohl nur noch Bandleader und Gitarrist Jean Paul Maunick dabei, aber das ändert gar nichts: So lange der Meister weiß, was er macht, sind die Gesellen austauschbar.
Nur Details ändern sich: So spielt „Incognito“ heute nicht mehr so viele Coverversionen wie früher, gerade mal eine Funkversion von Straußens „Also sprach Zaratustra“ (mit vielen Grüßen an Deodato) und Stevie Wonders „Don't You Worry 'bout a Thing“ (das vor neun Jahren auch schon dabei war). Und hier spürte man einen Bruch (und das mag Maunick gemerkt haben), denn im Gegensatz zu seinen arg formelhaft zusammengeschriebenen Eigenkompositionen erklang da plötzlich eine gute Melodie und eine originelle Weiterführung. Für „Incognito“ sind die Songs nur Material, aus dem sie Tanzmusik basteln – nicht ohne Soul, aber doch so kalkuliert ausgeführt, dass es einem, wenn man gerade nicht in Tanzlaune war, schon etwas langweilig werden konnte.
Aber fast alle im „Modernes“ waren begeistert. Seltsamerweise problematisierte Maunick selber in seiner kurzen Abschiedsrede das Dilemma der Band ganz genau: Auf der Bühne würden sie ständig die gleichen Lieder spielen, und das einzige, das sich änderte, sei das Publikum, von dessen Energie sie beeinflusst würden. Für viele Musiker wäre solch ein Statement ein Offenbarungseid, Maunick sagte es mit Stolz und Rührung in der Stimme. Ein bisschen Soul war also doch dabei. Wilfried Hippen
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