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Nur die Harten kommen durch

Zwei Existenzgründer in den neuen Bundesländern zeigen, wie sich mit Ideen Profit machen läßt / Nur wenige ABM-Projekte schaffen den Sprung  ■ Von Bettina Fink

Berlin (taz) – Wovon die Vermittler in den Arbeitsämtern oft träumen, das haben Michael Gettkant und Detlef Potratz hingekriegt. Sie konnten dreißig arbeitslosen Studiotechnikern der ehemaligen DDR-Post feste Stellen anbieten. Die Jobs sind bei der Gepo Gmbh entstanden, einer Ausgründung aus einem gemeinnützigen Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsunternehmen namens Abekom. Bei anhaltend guter Auftragslage sollen es noch viel mehr werden, so Geschäftsführer Potratz zuversichtlich.

Eine Existenzgründung am freien Markt schaffen derzeit aber, so die Bundesanstalt für Arbeit, nicht einmal fünf Prozent von den vorübergehend in ABM-Projekten Beschäftigten. Als Hemmschuh wirkt sich insbesondere die mangelnde Verzahnung der – zur Gemeinnützigkeit verpflichteten – ABM-Unternehmen mit der Wirtschaft aus, so eine neue Studie der Landesagentur für Struktur und Arbeit in Brandenburg (Lasa). Wem es unter diesen Bedingungen dennoch gelingt, sich am freien Markt durchzusetzen, der muß eine ausreichende Portion Hartnäckigkeit an den Tag legen, ein Profi in Rechtsfragen werden und über das verfügen, was man Unternehmerprofil nennt. Denn nur die Harten kommen durch.

Der Weg bis zur Verselbständigung der Gepo GmbH war weit. Nach der Wende wurden Gettkant und Potratz, genau wie 2000 KollegInnen in der Studiotechnik des Deutschen Fernsehfunks, von der Bundespost „abgewickelt“. Die beiden kamen bei der Telekom unter – im Gegensatz zu den meisten ihrer KollegInnen. Der Gedanke, über ABM-Maßnahmen auch für arbeitslos gewordene Studiotechniker wieder Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, ließ die beiden nicht mehr los. Eine gute Idee brachte den Durchbruch: Mit Kabelschachtanalysen können alte Telefonleitungen rekonstruiert und viele neue, teure Kabellegungen überflüssig gemacht werden.

Die Telekom und die deutsche Postgewerkschaft ließen sich überzeugen und stellten die beiden für einen Tag pro Woche frei. 1992 wurde die Abekom, Gesellschaft für Arbeitsbeschaffung und Qualifizierung, mit 50.000 Mark Startkapital vom Berliner Senat gegründet. Seitdem arbeiten Potratz und Gettkant hauptberuflich als Geschäftsführer. Auf ABM-Basis verdienen derzeit 87 Studiotechniker und schwervermittelbare Arbeitnehmer aus allen Branchen dort ihr Geld.

Die Geschichte der Gepo beginnt dort, wo die Möglichkeiten der Abekom enden: bei Aufträgen und Ideen, die sich in Mark und Pfennig rechnen. Alte Beziehungen aus Post- und Telekom-Zeiten kamen den Geschäftsführern dabei sehr entgegen. Aus dem sicheren Schoß der Abekom heraus wurden erste Auftraggeber gefunden und Marktchancen abgetastet. Eine breite Dienstleistungs- und Produktpalette ermöglichte den Einstieg am Markt: Die Gepo verkauft Telefone und ganze Büroeinrichtungen, verfügt über eine Reihe von Video- und MAZ- Schneideplätzen sowie ein Kamerateam, das für Rundfunkanstalten wie den NDR und ORB arbeitet. Zudem wurde eine Reparaturwerkstatt für Medientechnik eingerichtet. Heute liegt der monatliche Umsatz der Gesellschaft bei bis zu 250.000 Mark – wovon der größte Teil wieder in technische Ausrüstung und neue Arbeitsplätze reinvestiert wird. Ist mehr Personal notwendig, werden Leute aus dem ABM-Unternehmen übernommen.

Soweit eine fast optimale Kombination. Wenn da nicht die Schwachpunkte der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente zum Tragen kämen. Wo ein ABM- Unternehmen rentabel würde, ist's auch mit der Gemeinnützigkeit aus. Deshalb kann im Laufe eines ABM-Jahres kaum Startkapital für den Sprung auf den freien Markt gebildet werden. Ausgründungen wie die aus der Abekom sind nur bei einer Gratwanderung am Rande des rechtlich Abgesicherten möglich. Das gemeinnützige Unternehmen und der marktwirtschaftliche Betrieb müssen akkurat getrennt werden, gegenseitige Geschäfte sind wettbewerbsrechtlich verboten – bei identischen Geschäftsführern kein einfaches Unterfangen. Daß dabei auch rechtliche Nischen gesucht und genutzt werden, gesteht Detlef Potratz freimütig ein. „Das Ganze ist ein Drahtseilakt. Aber Ausgründungen wie die unsere sind ohne irgendwelche Formen der Unterstützung unmöglich.“ Gegen den Vorwurf, als indirekt geförderter Unternehmer den Markt zu verwischen, gibt er Kontra: „Wir können die Konkurrenzunternehmen preislich nicht unterbieten.“ Statt dessen wird auf umfassenden Service gesetzt.

Und da Ideen die Quelle sind, aus der ihr Unternehmen schöpft, steht bei Potratz und Partner schon die nächste Initiative an: Von ihren Erfahrungen und Slalomfahrten als Existenzgründer sollen auch andere profitieren. Ihnen schwebt eine Beratungs GmbH vor, die Marktchancen, Konzept und Kalkulation von Ausgründungen vor dem Sprung auf den freien Markt analysiert und über die rechtlichen Fußangeln hinwegberät. Auf diese Weise soll falsch gerichtetes Engagement schon in den Anfängen umgelenkt und sinnigen Ideen der Weg geebnet werden, hofft Potratz.

Bedarf an solchen Beratungsleistungen ist vorhanden. Allein 1992 wurden in den neuen Bundesländern 93.000 neue Existenzgründungen registriert, umgerechnet auf die Bewohner fast doppelt so viele wie im Westen. Was vielfach aus der Not der Arbeitslosigkeit geboren wird, hat aber nur in Ausnahmefällen Bestand. Zumeist fehlt es an schlüssigen Konzepten, Unternehmergeist und Management-Qualitäten, so meint die Bundesanstalt für Arbeit. Die Zahl der Gewerbeabmeldungen nimmt seit dem „Verselbständigungsboom“ nach der Wende jährlich zu und wird sich irgendwann auf westliche Verhältnisse – also eine Abmeldung je Anmeldung – einpendeln, kalkuliert man in der Abteilung Volkswirtschaft der Berliner Industrie- und Handelskammer. Sollen mehr Existenzgründungen Wege aus dem Arbeitslosendebakel eröffnen, wird man an wirtschaftsnäheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht vorbeikommen – trotz der Bedenken von Arbeitsämtern und Handelskammern.

Im Juli wurden immerhin Lohnkostenzuschüsse für Existenzgründer im Osten beschlossen. Hoffnungen darauf werden vor allem in zahlreichen, von den Rexrodtschen Sozialkürzungen etwas eingeschüchterten, ABM-Projekten gesetzt. Beschränkt sind die bereitgestellten Gelder allerdings auf Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt, der sozialen Dienste und der Jugendhilfe – erfahrungsgemäß nicht allzu lukrative Marktsegmente für Existenzgründer.

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