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Nur Produktionsumstellung bringt's

■ Umwelttechnologieforum Berlin im Zeichen der Nachsorge

Berlin (taz) – Neue Recycling- Ideen bringen nichts, wenn nicht schon bei der Produktion daran gedacht wird, was nach der Nutzung aus einem Produkt werden soll. Mit dieser Feststellung verdeutlichte gestern zum Abschluß des Umwelttechnologieforums 1995 in Berlin der Sachverständige der Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“, Georges Fülgraff, die Notwendigkeit, die Herstellung von Produkten grundsätzlich anders zu gestalten. Er kritisierte scharf, daß trotz der längst erkannten Umweltrisiken bei Produktion und Entsorgung nicht umgedacht werde.

Eine „Abkehr vom nachsorgenden Umweltschutz“ forderte Professor Rolf Kreibich, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT): „Der additive Umweltschutz hat einiges gebracht, aber er ist ausgereizt.“ Das Berliner Institut hatte zum UTECH-Arbeitskreis „Produktionsintegrierter Umweltschutz“ eingeladen. Dabei waren sich die knapp 70 Teilnehmer auf theoretischer Ebene weitgehend einig: Eine dauerhafte Sicherung der Lebensgrundlagen sei nur möglich, wenn langfristig völlig auf Giftstoffe verzichtet werde und wenn nicht erneuerbare Ressourcen durch erneuerbare ersetzt würden. Diese dürften zudem nur in dem Maß benutzt werden, wie sie nachwachsen. Ein Bauteil, von dem keiner weiß, was später daraus werden soll, darf nach Meinung der Experten keiner mehr einbauen.

Die Praxis sieht anders aus: Ein Grundig-Vertreter berichtete zwar, daß „aus einem Fernsehergehäuse problemlos wieder ein Fernsehergehäuse werden“ kann; auf den Markt bringt das Unternehmen ein solches Gerät aber nicht. Nur der wesentlich kleinere Konkurrent Loewe Opta hat in Zusammenarbeit mit dem IZT den Prototyp eines recyclingfähigen Fernsehers entwickelt. Doch solche Produkte sind bislang die Ausnahme.

Eine Änderung ist kaum in Sicht. Denn auch die von 5.289 Fachleuten besuchte UTECH zeigte vor allem Entsorgungstechniken, auch die 48 Arbeitskreise behandelten nur Möglichkeiten, Müll wieder loszuwerden. Doch Fülgraff relativierte die Hoffnung, einmal Produziertes werde sich durch den Einsatz von Technik in Luft auflösen: „In der Umkehr des schwäbischen Sprichworts ,Von nix kommt nix‘ verschwindet eben auch nichts.“ Christian Arns

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