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Archiv-Artikel

Nun kommt jeder in Studio 54

Basics sind ein Ausfluss des Zeitgeists, der sich paradoxerweise als Klassiker erweist: Die New Yorker Modespezialistin Nancy MacDonell hat ein Buch über „Zehn Dinge, die jede Frau in ihrem Kleiderschrank haben muss“, geschrieben

Mit Kleidern, Schuhen, Taschen und Schmuck kauft sich frau eine Menge mehr ein, als nur eine modische Klamotte, ein Paar schicke Schuhe oder eine maßlos überteuerte Handtasche. Und, nein, von eventuellem Ärger mit der Bank, dem Partner oder der Geliebten soll hier nicht die Rede sein. Davon spricht auch Nancy MacDonell nicht, in ihrem unterhaltsamen Lehrgang „Basics“. Solange die Handtasche, die von Hermès stammt und „Kelly“ heißt, nicht für eines der „Zehn Dinge, die jede Frau in ihrem Kleiderschrank haben muss“, gehalten wird, erübrigt sich das ja auch.

Basics stammen erst sekundär aus einem Haus und verkaufen Status. Wer jedenfalls noch immer dem Glauben anhängt, das Kleine Schwarze müsse ein Patent von Coco Chanel sein, wird bei MacDonell eines Besseren belehrt. Auch Audrey Hepburn alias Holly Golightly hat keinen Exklusivanspruch darauf, selbst wenn sie in ihrem schwarzen Etuikleid von Givenchy zu einer Ikone wurde wie Marilyn, als ihr der Luftzug der U-Bahn den Rock ihres weißen Neckholderkleids hochblies. Coco Chanel und das Kleine Schwarze sind dennoch ein unzertrennliches Paar, und die Anekdoten sind Legion, die Mademoiselles trotzigen Avantgardegestus und ihre Schlagfertigkeit mit ihm verbinden. Als der Couturier Paul Poiret, ein Mann, der sich der Stimmung des Jazz-Zeitalters nicht anpassen konnte, die schwarz gekleidete Coco Chanel besorgt fragte: „Für wen sind Sie in Trauer, Mademoiselle?“, soll sie kühl erwidert haben: „Für Sie, Monsieur.“

Basics stehen primär für einen Stil, sie sind Ausfluss des Zeitgeists, paradoxerweise als Klassiker tauglich, weit über kulturelle und soziale Schranken hinaus. Zunächst verheißen sie Rebellion. Das war beim Kleinen Schwarzen nicht anders als bei Jeans oder dem Hosenanzug, den erst Yves Saint Laurent 1966 für die Frauen tragbar und den Rest der Welt erträglich machte, oder zuletzt den Turnschuhen. „Meine Redakteure scheinen alle in Sneakers herumzulaufen. Das Tragen von Sneakers scheint zwar nicht akzeptiert, aber trotzdem ein Modestatement zu sein“, bemerkte 1998 Liz Tilberis, Chefredakteurin von Harper’s Bazaar. Natürlich hatte sie keine Ahnung, was deutsche Außenminister so treiben – obwohl, 1998 bevorzugte Josef Fischer ja schon die handgenähten. Aber um den Kleiderschrank von Männern geht es Nancy MacDonell eh nicht. Obwohl sich da zeigt, dass es Frauen leichter fällt, den Bereich ihrer Basics zu erweitern, eben weil sie damit ein modisches Statement machen, was Männern noch immer nicht im gleichen Maße erlaubt ist.

Interessanterweise setzten sich Jeans schneller als Basic durch als der Hosenanzug, der offenkundiger Anzugklau und damit unverzeihliche Amtsanmaßung war. Jeans schlichen sich über Freizeitkultur und Freizeitmode in den Alltag von Schule und Büro ein. In den USA begann das schon in den 30er-Jahren, als erstmals eine „Lady Levi’s“ angeboten wurde; dann gab es ein Hoch in den 50ern, bevor mit den 60ern und den Hippies erst mal eine Pause kam. Die 70er-Jahre entdeckten schließlich die Designer-Jeans, darunter auch die des Studio 54 – Werbespruch „Nun kommt jeder in Studio 54“. Man sieht: Mit Kleidern, Schuhen und Schmuck, besonders deren Basics, kauft frau sich nebenbei Geschichte und Geschichten, Mythen, Legenden und jede Menge Anekdoten ein. Sie machen auch den besonderen Reiz des Buchs von MacDonell aus. Selbst bei Kaschmirpullover, weißer Bluse, Perlen oder High Heels, also Kleidungsstücken, die eher die Gefahr einerseits der Trutschigkeit, andererseits des porn chic ausstrahlen, fallen der Redakteurin des New Yorker Modemagazins Nylon noch so viele interessante Fakten und Dönchen ein, dass jederzeit ein ganz neuer Blick auf die alten Standards möglich wird.

BRIGITTE WERNEBURG

Nancy MacDonell: „Basics. Zehn Dinge, die jede Frau in ihrem Kleiderschrank haben muss“. Krüger Verlag, Frankfurt/Main 2006, 240 Seiten, 10 €