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■ Nun ist der vierte Fall von Plutoniumschmuggel bekannt geworden - und wieder waren die Aufkäufer von deutschen Behörden geschickt. Wo aber ein echter Markt besteht, ist bislang völlig unklar.Der BND auf Shopping-Tour

Nun ist der vierte Fall von Plutoniumschmuggel bekannt geworden – und wieder waren die Aufkäufer von deutschen Behörden geschickt. Wo aber ein echter Markt besteht, ist bislang völlig unklar.

Der BND auf Shopping-Tour

Plutonium ist kein Rauschgift. Bremer Staatsanwälte mußten den V-Leuten der Polizei ausdrücklich verbieten, weiter mit Plutonium zu handeln und weitere Lieferungen bei ihren Mittelsmännern zu bestellen. Die Fahnder waren offenbar gerade so richtig auf dem Einkaufstrip, erwischten aber, anders als in München, nur minderwertige Strahlenware aus Rußland. Vergleichbar sind die Nuklearschmuggelfälle dennoch: Als Käufer traten jeweils V-Leute auf, mit der aus der Rauschgiftfahndung geläufigen Begründung, das Leck in Rußland finden und den illegalen Markt aufrollen zu wollen.

Mit den spektakulären Funden des Supergifts schickten sie ganz Deutschland so heftig auf den Horrortrip, daß sich außer den Bremer Staatsanwälten kaum jemand mehr fragte, ob es den schwarzen Plutoniummarkt überhaupt gibt. Die einzige wirklich gesicherte Erkenntnis über die „Nuklearhandels-Drehscheibe Deutschland“ ist die, daß deutsche Behörden sogar größere Mengen Plutoniums aus russischen Anlagen beschaffen können. Der Rest ist mehr oder weniger plausible Spekulation.

Seit 1991 haben immer öfter Schmuggler strahlendes Material in der Bundesrepublik angeboten, zunächst nur Cäsium und schwach radioaktives Uran. Niemand wußte, was man mit dem Zeug letztlich anfangen könnte: Zum Bombenbauen taugte es nicht, und zur Erpressung unter dem Stichwort „Gift ins Trinkwasser“ eignet sich manch schlichtere Chemikalie weitaus besser.

In dieser Phase, sagt Annette Schaper vom Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung, hätten „verantwortungslose Sensationsjournalisten“, die unbedingt ein Nuklearschmuggler- Kartell aufrollen wollten, den Markt erst geschaffen. Nicht von ungefähr gehört auch der Bremer V-Mann dieser Berufsgruppe an.

Wladimir Klimenko, ein Berater des russischen Präsidenten Jelzin, warf darum die Frage auf, wie es die bundesdeutschen Geheimdienste eigentlich zulassen konnten, daß waffentaugliches Plutonium mit einer Lufthansa-Maschine transportiert wurde. Der Präsidentenberater fragte sich, ob es nicht angebrachter gewesen wäre, „die Ladung noch in Moskau sicherzustellen und das Leben der Passagiere keiner Gefahr auszusetzen“.

Die letzten Verlautbarungen aus Rußland zu den jüngsten Fällen haben binnen der letzten beiden Tage ihren Akzent vom empörten Dementi auf die Forderung nach mehr Beweisen verlagert. Noch am Montag abend erklärte ein Sprecher des Föderalen Gegenspionagedienstes: „Wir lesen auch Zeitungen. Zuerst war da von 500 Gramm die Rede, dann von 300 Gramm. Wir haben mehr als einmal unsere deutschen Kollegen gebeten, ihren Zeitungsausschnitten doch durch Anheften von Proben des angeblich bei uns versickerten Materials mehr Gewicht zu verleihen, damit auch wir eine unabhängige Expertise durchführen können.“

Gerade über die Unmöglichkeit, dies zu leisten, beklagte sich gestern der Pressesprecher des russischen Ministeriums für Atomenergie, Georgi Kaurow. Er sagte, die Experten seines Ministeriums seien jederzeit bereit, Proben zu überprüfen. Am Montag habe die deutsche Seite öffentlich versprochen, seiner Behörde eine Probe des in München konfiszierten Materials zukommen zu lassen. Aber bisher habe niemand von dort mit seinem Ministerium zu diesem Zweck Verbindung aufgenommen. Dabei gebe es schon erfolgreiche Fälle von deutsch-russischer Zusammenarbeit. Im Mai habe man so den Vorwurf entkräften können, daß die sechs Gramm Plutonium, die in Tengen am Bodensee bei dem deutschen Geschäftsmann Adolf Jäckle gefunden wurden, russischer Herkunft seien. Das Ursprungsland sei Bulgarien gewesen. Eine Darstellung, die in Deutschland jedoch auch von der unabhängigen Friedensforscherin Schaper zurückgewiesen wird: „Das kann nicht sein, weil es in Bulgarien keine Anlagen gibt, mit denen man dieses hochangereicherte Plutonium produzieren könnte.“

Wegen der Reinheit des Stoffes, für den eine bestimmte Hochtechnologie notwendig ist, sind sich hierzulande die Experten sicher, daß das Plutonium aus Rußland stammen muß, vermutlich aus militärischen Forschungsanlagen. Aber auch den häufig zitierten „Fingerabdruck“, nach dem man genau erkennen kann, aus welchem Labor der Stoff stammt, gibt es so nach Darstellung eines Experten nicht. Die Herkunftsmöglichkeiten ließen sich so nur eingrenzen.

Anders als die zivilen russischen AKWs sind jedoch die militärischen Nuklearanlagen nach wie vor Hochsicherheitstrakte. Das Atomministerium gilt in Moskau auch als das einzige, das noch genauso arbeitet wie zu Breschnews Zeiten. Das würde der nicht belegten Spekulation Plausibilität verschaffen, daß das Plutonium möglicherweise über altbewährte Geheimdienstkanäle den deutschen V-Leuten angeboten wurde. Wobei sich erneut die Frage stellte: Warum? Wollte etwa das russische Atomministerium seinerseits herausfinden, was die deutschen Behörden wissen? Donata Riedel/Barbara Kerneck

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