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Nürnberg war bitter

Theater möcht ich mir in München anschauen. Zur Zeit verdiene ich schon mein erstes Geld: Neben der Schauspielschule arbeite ich ein bisschen beim Film. Zur Not könnte ich auch den Zug bezahlen. Aber ich seh’s einfach nicht ein! 150 Mark! Hab keinen Bock, das zu bezahlen. Da geb ich das Geld dann lieber dort aus, wo ich hinfahre.

Die letzten Male habe ich ’ne halbe Stunde gewartet. Zurück war bitter, da stand ich in Nürnberg mal zehn Stunden. Und die ganze Zeit dachte ich, jeden Moment nimmt mich jemand mit: Sing ich noch ein schönes Lied. Die Fahrer haben natürlich mitgekriegt, dass es jetzt schärfere Gesetze gegen Tramper gibt, Halten auf dem Standstreifen kostet zwanzig Mark und so.

Es halten viel weniger an, als noch vor zwei Jahren. Letztens bin ich aber nur zehn Minuten gestanden, und schon hielt einer an. So ein Türkenpapa mit einer total kitschigen Plastikdekoration vorne in seinem Auto. Der ist die ganze Zeit 180 gefahren, bis München durch. Und ununterbrochen lief türkische Folklore. Der meinte so: Wenn du wieder in Berlin bist, schauste mal in meinem Restaurant vorbei. Das war dann eine Dönerbude, und jetzt komm ich eben mal vorbei, sag hallo und ess meinen Döner.

Klar gibt es auch Idioten auf der Straße, aber mit denen fährt man ja nicht mit. Keine Ahnung, ob ich mich zur Tramperkultur zählen kann, falls es überhaupt noch eine gibt. Wenn mir jemand sagen würde: Was bist du für ’n Hippie, der da rumtrampt, das ist doch total out – dann wär ich echt sauer.

Einmal bin ich von Nürnberg aus mit einem mit, der war ganz witzig. Das war eben so ’n richtiger Hippie – hatte mit Hanfsamen sein Geschäft gemacht und dabei das große Los gezogen. Der ist in einem Auto gefahren, das ein Höllengeld gekostet hat, und dann wollte er mir irgendwelche Tramperideologien erzählen. Albern. Dieses Zeugs aus den Siebzigern, das ist nichts, womit ich mich identifizieren würde. Diese Zeit interessiert mich absolut nicht!

Sicher trampen viele, um Leute kennenzulernen oder durchs Land zu kommen. Aber dafür nehm ich lieber das Rad. Trotzdem kann man beim Trampen Urlaub machen. Demnächst tramp ich nach Prag: Irgendwann werde ich sogar ankommen – aber was unterwegs passiert, weiß ich nicht.

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