Nürnberg vs. Hannover: Mit Gott im Bund
Nürnbergs Hans Meyer feiert das 2:2 gegen Hannover arg euphorisch und weiß die fränkischen Fans hinter sich.
NÜRNBERG taz Es muss schlimm stehen um den 1. FC Nürnberg, ganz schlimm. Wie anders wäre es zu erklären, dass ein überzeugter Atheist wie Hans Meyer schon den Einfluss des "lieben Gottes" bemüht, um ein banales 2:2 zu erklären?
Ziemlich genau um 17.14 Uhr Ortszeit - wahrscheinlich in einer Zigarettenpause vor einer Madonnenerscheinung in Südspanien oder Mexiko - muss der Allmächtige im Fränkischen vorbei geschaut haben. Jedenfalls legte da ein gewisser Marek Mintal all seine Wut in einen fulminanten Schuss, der den wacker kämpfenden Nürnbergern immerhin noch einen Punkt bescherte. Gar nicht einmal unverdient, obwohl Mintals Mannschaftskollegen vorher anschaulich demonstriert hatten, warum es in dieser Saison einfach nicht so recht laufen will.
Kaum wird die eine Lücke geschlossen, tut sich irgendwo eine andere auf. Anders gesagt: Zwar erarbeitete man sich diesmal Torchancen im Überfluss, doch dafür zeigte man sich anfällig in der Innenverteidigung und auf der rechten Abwehrseite, wo sich Dominik Reinhardt ein ums andere Mal blamierte. So auch in der 39. Spielminute, als Hanno Balitsch von links flankte, worauf sich die Innenverteidiger Wolf und Glauber so gelangweilt gaben, dass Mike Hanke das 0:2, seinen zweiten Treffer, köpfen konnte. Doch nicht alles war anders an diesem Spätsommertag. Auch gegen die intelligent agierenden Hannoveraner wurde lang fast nur mit langen Bällen gearbeitet. Und es schien sich erneut zu rächen, dass viele Nürnberger Kreativspieler schlicht zu langsam sind. Doch dann erzielte Zvjezdan Misimovic mit strammem Schuss den Anschlusstreffer. Und der eingewechselte Marco Engelhardt, auch er nicht der Schnellsten einer, erhöhte die Spielintelligenz um 30 Prozent: "Manchmal will ich den zweiten Schritt vor dem ersten machen", zeigte sich der Mittelfeldmann nach dem Spiel bescheiden, "aber ich glaube, ich habe einige gute Pässe gespielt."
Das fand auch Meyer, der mit seiner Mannschaft ein wenig zu demonstrativ zufrieden war. Dabei hatte man einmal mehr gegen ein Team aus dem prognostizierten Mittelfeld die schwächere Spielanlage offenbart. Spielerisch gehört der Club derzeit zum unteren Drittel der Liga.
Da fügt es sich gut, dass die Club-Verantwortlichen bereits vor dem ersten Spieltag rhetorisch vorgesorgt haben. Hans Meyer wurde schon im Juli nicht müde, einen einstelligen Tabellenplatz als höchstes der Gefühle für die laufende Saison auszugeben. Das war damals zwar noch bloße Rhetorik - die in fremden Sphären schwebenden Erwartungen sollten ein wenig geerdet werden. Nun, Mitte September, klingt der Zweckpessimismus von einst fast schon prophetisch.
Und dennoch: Hans Meyer hat mit seinem Charisma in Nürnberg etwas geschaffen, das nachhaltiger ist als eine spielerische Variante mehr oder im aktuellen Fall zwei weniger. Am Donnerstag spielt man erstmals seit Menschengedenken wieder ein Uefa-Pokal-Match. Das Spiel gegen Rapid Bukarest soll ein "Freudentag" werden, hat Manager Martin Bader versprochen. Keiner in Nürnberg scheint mehr zu erwarten, die als anspruchsvoll geltende Klientel ist seit Hans Meyer nachhaltig befriedet. Zumal das schlimmste Trauma, das Michael A. Roth in seiner Amtszeit widerfuhr, gebannt scheint. Schwer vorstellbar, dass der Präsident wie damals zu Beginn der 90er wieder zu einem Auswärtsspiel nach München fahren wird und sich dabei in seinem Wohnmobil von lauter Autos mit fränkischem Kennzeichen und Bayern-Schal im Rückfenster überholen lassen muss. Franken hat sich mit dem FCN versöhnt. Auch am Samstag kamen wieder fast 40.000 Zuschauer ins Stadion. Gegen Hannover 96. Nach zwei Heimniederlagen. Aber mit Gott im Bunde. CHRISTOPH RUF
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