: Notwendiger Richtervorbehalt
betr.: „Richter hassen DNA-Tests“, taz vom 14. 1. 04
Ich finde es immer interessant, wenn sich die taz mit CDU-Positionen anfreundet. Leider kolportiert der Beitrag erneut die Behauptung, der genetische Fingerabdruck (DNA-Profil) sei persönlichkeitsrechtlich so harmlos wie der Finger-Fingerabdruck.
Richtig ist, dass aus dem normalen Fingerabdruck praktisch keine weiteren Rückschlüsse auf die Person des Trägers gezogen werden können. Auch die elektronische Speicherung des DNA-Profils mit den „sechzehn Ziffern“ ist nicht viel sensibler als der Fingerabdruck, werden dadurch doch nur Aussagen zu acht spezifischen Genorten gemacht und verglichen. Anders als beim Fingerabdruck ist aber das DNA-Profil bei Zwillingen identisch. Bei Brüdern und sonstigen nahen Verwandten kann insofern eine hohe Übereinstimmung gegeben sein. Angesichts der unzureichenden Standardisierung der Messmethode können sich fälschlich Identitäten ergeben.
DNA-Profiling nach § 81e Strafprozessordnung (StPO) beschränkt sich aber nicht auf die Analyse der 8 Genorte. Zusätzlich wird immer auch das Geschlecht als „Merkmal“ bestimmt. Dieses Merkmal ist kriminalistisch wichtig und persönlichkeitsrechtlich nicht besonders sensibel. § 81e StPO erlaubt praktisch auch den Vergleich sämtlicher nicht codierender Gensequenzen. Dies hat zur Folge, dass auch präzise Aussagen über Verwandtschaftswahrscheinlichkeiten möglich sind, wie auch Ableitungen in Bezug auf die Ethnie, insbesondere bei Abweichungen vom mitteleuropäischen Standard, und gar – nach derzeitigem Wissensstand – auf einige Krankheiten. Diese Informationen ergeben sich nicht unbedingt direkt aus dem DNA-Profil, sondern erst aus dessen Vergleich mit sonstigen wissenschaftlichen DNA-Studien.
Damit nicht genug: Wegen des eventuellen Bedarfs einer Nachuntersuchung im Rahmen von § 81e StPO wird nicht nur der digitale Code aufbewahrt, sondern auch die Gewebeprobe. Dies gilt ohnehin bei Tatortspuren als Asservate. Dies gilt aber auch im Rahmen von konkreten Ermittlungen und Strafverfahren. Das genetische Material der Gewebeprobe lässt sich im Nachhinein nicht nur im nicht codierenden Teil, sondern auch hinsichtlich der Gene auf Merkmale hin analysieren. In Holland wurden solche kriminalistischen Untersuchungen inzwischen grundsätzlich erlaubt. THILO WEICHERT,
Stellv. Landesbeauftragter f. d. Datenschutz Schleswig-Holstein
„Alltäglich“ mag diese Untersuchung und die Speicherung ihrer Ergebnisse beim BKA mittlerweile sein, nachdem sie zu unbestreitbaren Ermittlungserfolgen geführt hat und den Strafverfolgungsbehörden ganz neue Dimensionen eröffnet. Für den Einzelnen, der davon betroffen ist, verliert diese Ermittlungsmethode deswegen allerdings nicht an Brisanz – übrigens auch nicht dadurch, dass von Politikern in populistischer Weise behauptet und von Journalisten unkritisch übernommen wird, der genetische Fingerabdruck sei ebenso harmlos wie ein Polizeifoto oder auch der herkömmliche Fingerabdruck, weil Rückschlüsse auf Persönlichkeitsmerkmale, Eigenschaften und Aussehen des Täters nicht möglich seien (dazu unter www.datenschutzzentrum.de/recht). Es ist deshalb zu hoffen, dass wenigstens die bekundete Absicht von Rot-Grün, den Richtervorbehalt hier beizubehalten, Bestand hat. Unterstützt wird diese Forderung jedenfalls von RichterInnen, die die Wahrnehmung der ihnen von Gesetzgeber und BVerfG zugewiesenen grundrechtsichernden Aufgaben nicht für überflüssig, sondern als notwendigen Ausgleich gesetzlicher und praktischer Defizite ansehen.
Richtig ist, wie der Vorsitzende des DRB Arenhövel äußert, dass die RichterInnen wenig (besser: zu wenig) Zeit für diese Aufgaben zur Verfügung haben und dass „das bloß formale Abhaken möglichst vieler Akten durch die Justiz kein Plus an Rechtsstaatlichkeit bringt“. Als Konsequenz aus ihren Befunden zur Praxis der Telefonüberwachung fordern die Professoren Backes und Gusy in Übereinstimmung mit vielen betroffenen RichterInnen deswegen eine bedarfsgerechtere Personalplanung innerhalb der Justiz. Bei dem derzeit veranschlagten Pensum von 30 Minuten pro Beschluss kann niemand ernsthaft erwarten, dass in jedem Einzelfall verantwortlich geprüft wird, ob die Staatsanwaltschaft das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für grundrechtsrelevante Eingriffe nicht nur behauptet, sondern auch belegen kann. Den Richtervorbehalt abzuschaffen, hieße, ein in der Informationsgesellschaft immer bedeutsamer werdendes Bürgerrecht aufs Spiel zu setzen.
CHRISTINE NORDMANN, Mitgl. des Sprecherrates der Neuen
Richtervereinigung (NRV) in Schleswig-Holstein