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Notbremse in BochumFussball ist wie in der Natur

Die sportliche Entwicklung des VfL Bochum in der Rückrunde ist mehr als kritisch. Der Mannschaft droht seit vier Jahren Erstligazugehörigkeit erneut der Abstieg.

Muss in der Tabelle weit nach unten schauen: Darius Wosz, Interimscoach in Bochum. Bild: dpa

BERLIN taz | Es gab ihn eigentlich in Bochum, den Moment kollektiver Glückseeligkeit. Stanislav Sestak hatte im zweiten Spiel der Rückrunde Ende Januar gegen die Gelsenkirchener Nachbarschaft mit dem Schlusspfiff zum 2:2 ausgeglichen. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte die Bochumer Anhängerschaft vor lauter Erstaunen sogar vergessen zu jubeln, und die so oft zitierte Devise "zum VfL zu gehen ist so als ob dich jede Woche deine Frau verlässt" galt nicht mehr – zumindest für den Moment.

Es folgten erstaunliche fünf Spiele ohne Niederlage, doch dann, am 6. März, ging's zum Deutschen Meister. In Wolfsburg wurde Bochum beim 1:4 auseinander genommen. Die Talfahrt der Mannschaft von der Castroper Straße begann. Inzwischen ist der Vorsprung von neun Punkten vor den Abstiegsrängen aufgebraucht: Nach zehn Spielen ohne Sieg steht man auf dem Relegationsplatz – und am Samstag müssen die Bochumer zum Champions League Finalisten Bayern München.

Das "Experiment Herrlich" ist fehlgeschlagen, auch wenn Manager Thomas Ernst nach der Beurlaubung des einstigen Bundeslia-Torschützenkönigs davon sprach, dass der Trainer viele Dinge angeschoben habe, "von denen wir auch weiterhin überzeugt sind". Der gebürtige Schwarzwälder sollte nach vierjähriger Regentschaft des trockenen Schweizers Marcel Koller und Übergangslösung Frank Heinemann eigentlich für eine Erfolgsbilanz sorgen.

Innovation und Kreativität schien sich die Bochumer Chefetage von dem vorherigen DFB-Nachwuchstrainer zu erhoffen, der im Herbst 2009 feststellte: "Die Mannschaft hat die Bereitschaft, aus einer großen, schnellen Katze ein Löwe zu werden.“

Davon ist letztlich nichts übrig geblieben. Und Herrlichs einstiges Credo "Wir wollen die einfachen Dinge gut machen" ist offenbar ebenso völlig aus den Köpfen seiner Spieler verschwunden, wie die jüngsten Partien gegen Köln und Stuttgart untermauern.

Auch die zwischenzeitliche Signalwirkung, die von Spielern wie Lewis Holtby oder Milos Maric ausging, blieb letztlich ein blau-weißes Strohfeuer. Hinzu kamen der Ärger um die Afrika Cup-Teilnahme von Leistungsträger Anthar Yahia sowie die Verletzung von Christoph Dabrowski.

Und Heiko Herrlich verlor die Kontrolle. Nicht nur über die Leistung der Mannschaft, sondern auch über sich: Am Montag trat er Plastikwanne durch die Kabine seiner Mannschaft. Ein Ausraster, der durch die Presse ging. Zwei Tage später verbot Herrlich auch noch dem Publikumsliebling Joel Epalle die Teilnahme am Training, wegen fehlender Schienbeinschoner. Der unterrichtete prompt die Bild-Zeitung. Funktionierende Kommunikation innerhalb eines Vereins sieht anders aus.

Einen Tag später, also am gestrigen Donnerstag, musste Herrlich seinen Posten räumen. Das kam trotz der schwachen Leistungen des Teams überraschend. Die Zusammenarbeit mit Herrlich war eigentlich auf Dauer konzipiert. "Wir gehen mit Heiko Herrlich notfalls auch in die zweite Liga", hatte der Sportchef Thomas Ernst versprochen, als es langsam kritisch wurde. "Das steht."

Dennoch musste Herrlich gehen. Die Gründe dürften fraglos in der dauerhaften Erfolglosigkeit des Teams liegen, dem mit jedem Spiel die Verunsicherung mehr und mehr anzusehen war. Man traute dem Bundesliganeuling letztlich nicht mehr zu, einen Stimmungswechsel innerhalb der Mannschaft und damit größere Erfolgschancen für die letzten beiden Saisonspiele herbeizuführen.

Die klassische Lösung, wenn eine Saison in der Katastrophe zu enden droht. Oder, um es mit den Worten von Thomas Ernst zu sagen: Man traue "nach einer umfangreichen Analyse der sportlichen Situation" Darius Wosz und dessen Co-Trainer Nico Michaty "größere Erfolgschancen in Sachen Klassenerhalt" zu.

Schon länger beobachten die Anhänger des VfL die Strukturen im Verein mit Sorge. Seit der umstrittenen Entlassung von Stefan Kuntz vor zwei Jahren ist beim kleinsten Ruhrgebietsclub in der Bundesliga dauerhaft keine klare Linie mehr zu erkennen. Das dessen Arbeit nachhaltig und erfolgreich war und ist, zeigt ein Blick auf den gerade aufgestiegenen 1.FC Kaiserslautern. Kuntz ist dort Vorstandsvorsitzender.

Nun soll es also VfL-Legende Darius Wosz als Interimstrainer richten – Model Berger, letztjährig in Bielefeld ohne Erfolg erprobt, lässt grüßen. "Wir haben kurzfristig noch einmal nach einem Strohhalm gegriffen und alles auf eine Karte gesetzt", sagte Thomas Ernst zur Berufung des Ex-Nationalspielers.

Dennoch, Wosz kennt die Mannschaft und hat hinreichend eigene Erfahrung im Abstiegskampf, wird aber keine Lösung für die nächste Saison sein, hieß es von Vereinsseite. Immerhin: Vergangenes Jahr gab es in München gegen die Bayern ein überraschendes 3:3.

Eine Wiederholung könnte im Hinblick auf den Klassenerhalt helfen. Zeigt die Mannschaft keine eindeutige Reaktion, wird der Bochumer Fussball am Wochenende wohl wirklich so aussehen "wie in der Natur". Dort, erklärte Herrlich zum Beginn seiner Trainerepisode beim VfL, werden die Kleinen gerne von den Großen gefressen.

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1 Kommentar

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  • E
    elmar

    was für eine bildunterschrift zum vfl-trainer: "muss in der tabelle weit nach unten schauen" DAS IST GAR NICHT SO WEIT für dariusz wosz (165 cm) i9m gegensatz zu etwa oliver bierhoff.