Norman Paech über Haft in Israel: "Der Mossad war vom ersten Tag dabei"
Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech war an Bord eines von Israel gekaperten Schiffs der Hilfsflottille für den Gaza-Streifen. Er hält den Angriff für einen Akt der Piraterie und ein Kriegsverbrechen.
taz: Herr Paech, wie haben Sie die israelische Haft überstanden?
Norman Paech: Persönlich ganz gut. Die eigentliche Hypothek dieser Unternehmung sind die Toten und Verletzten, von deren Zahl man nichts weiß, deren Herkunft man nicht kennt.
Warum sind Sie mitgefahren?
Ich habe 20 Jahre lang darauf hingewiesen, dass die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete völkerrechtswidrig ist - ohne dass das Folgen hatte. Irgendwann sagte ich mir, man muss auch andere Mittel in Erwägung ziehen. Deshalb beschloss ich, diese Schiffsreise zur Durchbrechung der Blockade mitzumachen. Die Blockade erfüllt den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.
Die Israeli argumentieren, mit dem Durchbrechen der Blockade, werde dem Waffenschmuggel die Tür geöffnet.
Die Israeli behaupten immer, sie müssten sich verteidigen oder den Waffenschmuggel verhindern. Das ist Unsinn. Es geht in Gaza darum, die Versorgung auf ein Niveau zu bringen, dass die Menschen dort überhaupt leben können. Die fristen ja nur ihr Leben und sind total abhängig von den Israeli. Dies gebiert auch die Gewalt im Gaza-Streifen, wie sie sich im Abschuss von Raketen auf Israel äußert. Die Palästinenser haben keine andere Möglichkeit sich zu wehren.
Waren Waffen an Bord?
Überhaupt nicht. Der Mossad war vom ersten Tag dieser Aktion an dabei. Er wusste über alles Bescheid.
ist emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität Hamburg. 2001 trat er nach 32 Jahren wegen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr aus der SPD aus. 2005 bis 2009 saß er als Mitglied der Linken im Bundestag. Er setzt sich für eine Außenpolitik ohne militärische Interventionen und imperiale Dominanz ein.
Wie kommen Sie darauf?
Die israelischen Soldaten verloren an Deck vier in Plastikfolie gebundene Seiten mit Fotos einzelner Mitglieder der Mission, unter anderem des Schriftstellers Henning Mankell und der Gewerkschafterin und Bundestagsabgeordneten Annette Groth (Die Linke). Wahrscheinlich wurde den Soldaten gesagt, das sie auf diese Personen besonders Acht geben sollten. Das Foto von Annette Groth stammt von unserer Zusammenkunft in Heraklion. Dort hatte sie über ihrem T-Shirt ein Band der Gewerkschaft mit ihrem Namen. Das trägt sie sonst nicht. Die Israeli wussten also, dass wir uns friedlich verhalten wollten. Auch die Beladung der Schiffe, ob in Irland, Istanbul oder Athen war öffentlich. Es waren keine Waffen an Bord.
Haben Sie selbst die Laderäume besichtigt?
Nein. Wir vertrauten den Organisatoren, weil bei der Beladung ja zugeschaut werden konnte.
Man hätte ja nachts welche an Bord schmuggeln können …
Interessant ist, dass die Israeli ja gar keine Waffen präsentieren können. Das, was sie zeigen, ist das was sie auf der Mavi Marmara gefunden haben: Schlagstöcke, Eisen… Das ist ja alles. Ich finde es abartig, dass in unserer Presse immer diese Waffen gezeigt werden. Es gibt kein Bild von den Waffen, mit denen die Israeli das Schiff gestürmt haben: Paintbullet-Pumpguns, Maschinenpistolen, Taser, Pistolen.
Wie erklären Sie sich bei dieser Waffenungleichheit, dass drei Soldaten in die Gewalt der Schiffsbesatzung gerieten?
Die haben sich auf das Deck abgeseilt. Dort waren kräftige Türken oder Araber. Eh die Soldaten sich auf dem Deck entfalten konnten, wurden sie überwältig und unter Deck gebracht. Danach begann die Schießerei.
Es heißt, die Passagiere seien unter Deck eingeschlossen gewesen. Stimmt das?
Das galt für die Frauen, um sie nicht zu gefährden. Ich war auf dem mittleren Deck, wo die zentrale Treppe liegt. In deren Vorraum stand ich, als oben die Schießerei war und sah, wie die Israeli und später die Verletzten heruntergetragen wurden.
Sie sagten in einem ihrer ersten Interviews, die Enterung sei ein Kriegsverbrechen. Stehen Sie dazu?
Absolut. Sie fand in internationalen Gewässern statt und war somit ein Akt der Piraterie. Erinnern Sie sich noch an die Achille Lauro, das italienische Kreuzfahrtschiff, das in den 80er Jahren von einem palästinensischen Kommando entführt wurde, wobei ein Amerikaner ermordet wurde. Das war ein Verbrechen und genauso ist die jetzige Kaperung nach internationalem Recht ein Verbrechen. Die Israeli hätten darum bitten können, das Schiff zu kontrollieren. Das wäre ihnen auch gestattet worden. Israel hat zudem keine Hoheitsrechte in Gaza. Es kann also kein Schiff daran hindern, humanitäre Güter dort abzuladen. Das ist völkerrechtlich nicht möglich.
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