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■ NormalzeitEin Moneyfest!

Denn jetzt – bei all den BVG- „Fair-Preisen“, Schwenkow- „Fair-Anstaltungen“ und „Fair- Verwaltungs“-Reformen, wo man angesichts der jüngsten Bestattungs-Bestechungsskandale nicht einmal mehr vor dem „Fair-Scharren“ zurückschreckt – ist eh alles wurscht geworden. In der neuesten Ausgabe der Obdachlosenzeitung motz wird jedoch noch einmal voll pc-mäßig gegen die Laschheit im Alltag, das Anything goes im Erkenntnisvergnügen – und zwar in bezug auf die „Kinderausbeutung“ – vom Leder gezogen: Man könne nicht einerseits gegen den unmenschlich-kommunistischen Drill der Kinder-Akrobaten etwa des rotchinesischen Staatszirkus' sein und andererseits die sich rapide vermehrenden Berliner Kinderzirkusgruppen, die in den Disziplinen „Artistik, Clownerie, Jonglage, Breakdance und Einrad“ ausbilden, als „gemeinnützig“ anerkennen, ja, schlimmer noch, sie sogar finanziell und mit ABM fördern sowie mit den Schulen kooperieren lassen.

Kinderzirkusse gibt es inzwischen vier in Berlin: am Kreuzberger Spreewaldplatz, in der Treptower Bouchéstraße (bald Lohmühle), in Alt-Glienicke und in der Marzahner Raoul-Wallenberg-Straße. Sie sind in einem Verein organisiert, haben die Bewag als Sponsor gewonnen sowie die SPD zur Projektbegleitung, und der Kinderzirkus „Cabuwazi“ am Spreewaldbad – der sogar zur Unterstützung der revolutionären Zapatisten einmal eine Tournee durch Mexiko unternahm – arbeitet überdies im Kreuzberger Projekte-Plenum mit. Gegründet wurde dieser Kinderzirkus unter anderen vom Kruppstahl-Betriebsratsvorsitzenden Karl Köckenberger, der in der Regenbogenfabrik wohnt, wo seine Kinder zuvor schon ein eigenes Kino mitbegründeten. Köckenberger hat jetzt darüber hinaus zusammen mit dem Aachener „Sozialsponsoring“ e. V. einen Förderverein für Kreuzberger „Kinder- und Jugendprojekte“ angeschoben, wie man so sagt. Außerdem – um hier wieder auf den motz-Artikel zurückzukommen – unterstützte er in der Vergangenheit immer wieder gerade die Obdachlosenzeitung, so daß diese ihr „motz-Fest“ 1995 sogar im Kinderzirkus „Cabuwazi“ feierte.

Erstaunt rief er deswegen bei der motz-Redaktion an und fragte, was dieser Angriff solle. Er dachte dabei an die zunehmende Konkurrenz unter den Berliner Sozialprojekten aufgrund abnehmender staatlicher Zuschüsse. Das sei nur Satire, wurde ihm jedoch geantwortet, verfaßt von dem bekannten Satire-Autor namens „sinnflut“ (Haha!). Köckenberger las den Text daraufhin noch einmal und wollte die Sache danach auf sich beruhen lassen, aber da zirkulierte die Satire bereits unter den Kinderzirkus-„Erziehern“, die weniger Spaß verstanden. Köckenberger erklärte der Journaille daraufhin: „Das sind alles ABM-Leute, die sich trotz ihrer unsicheren Situation so engagieren und sich jetzt dadurch furchtbar angegriffen fühlen.“ Er bat deswegen umgehend um Klarstellung sowie auch um einen eventuellen Hinweis auf den Förderverein – zur Erleichterung der anstehenden „Spenden- und Sponsorenakquisition“. Dies soll hiermit – quasi medienkollektiv – geschehen sein, unter der besagten Überschrift „Moneyfest“ allerdings, um die Wortwitzischkeit nicht vollends fahren zu lassen.

Jetzt, wo selbst schon der taz- Kalauer-Wart Mathias Bröckers die Segel gestrichen voll hat – und nur noch Gedichte schreiben will, die sich auf Hanf reimen. Das kann heiter werden. Bröckers hatte übrigens die Krupp-Arbeiteraktivitäten stets als „Stahlinismus“ bezeichnet – und damit die Lacher immer wieder auf seiner taz-Seite gehabt. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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