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■ NormalzeitClub-Atmo im Springer-Hochhaus

In der 18. Etage des Springer- Hochhauses gibt es einen Journalisten-Club, in dem der Ullstein- Verlag manchmal seine zwielichtigen Neuerscheinungen präsentiert. Mit Reden, opulentem Buffet und Fotografen-Blitzlichtgewitter. Die Club-Atmo soll an einen Salon in einem Schiff erinnern. Dazu dient auch die runtergehängte, gewölbte Decke. Man hat eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt. Bis zu den Wannsee-Bergen auf der einen und Marzahn auf der anderen Seite. Und dann grenzt das Gebäude direkt an den einstigen Todesstreifen. Der Verlag mußte dafür seinerzeit eine Sondergenehmigung einholen. Das Merkwürdigste an dem Journalisten- Club, der auch als Speisesaal für die höheren Verlags-Chargen benutzt wird, ist ein Altar zu Ehren Axel Springers. Er besteht aus einer Art Sekretär mit einem Foto des verstorbenen Verlagsgründers darüber. Links und rechts stehen zwei Kerzenleuchter und einige Reliquien: eine Kartusche, die bei der Grundsteinlegung des einstigen Berliner Zeitungsviertels Verwendung fand, ein Bergkristall in einem mit Samt ausgeschlagenen Karton, eine kleine Bronzeplastik und einige Objekte, die ich nicht identifizieren konnte. Ebensowenig eine der Verlags-Sprecherinnen, weil, so sagte sie mir, keiner so recht dafür verantwortlich wäre und jede Abteilung im Haus, wenn sie ein mit dem Verlagsgründer zusammenhängendes Objekt irgendwo finde, es „dort oben“ einfach ablege. Irgend jemand muß sich dort aber doch regelmäßig um den Altar kümmern, denn täglich werden die Schnittblumen erneuert und die neuesten Ausgaben der von Axel Springer einst gegründeten Zeitungen quasi vor ihm auf dem Sekretär ausgebreitet. Kaum ein Fotograf versäumt es, den Altar zu fotografieren, wenn er schon mal dort oben ist, um eigentlich den einen oder anderen Prominenten zu knipsen, der sich zu einer Buchpräsentation eingefunden hat. Ich konnte beim letzten Mal die Witwe Axel Springers und Lothar Loewe identifizieren. Dieser schien mir außerordentlich fett geworden zu sein. Auch hatte er mittlerweile einen kleinen Tick bekommen: Er zuckte die ganze Zeit mit der Schulter und dem Hals. Er wußte anscheinend nicht so recht, was er dort eigentlich sollte. Im Gegensatz zu mir hat er wahrscheinlich genug Geld, so daß ihn nicht einmal ein gutgefülltes Buffet für umsonst besonders reizt. Helmut Höge

Wird fortgesetzt

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