piwik no script img
taz logo

■ NormalzeitDer aufrechte Gang

Das Physik-Genie Schnaffi, der Havemann-Sohn Utz und die Pfarrerstochter Angela Merkel arbeiteten bis zur Wende im Institut für physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaft der DDR. Dann war die Koordinierungs- und Aufbau-Initiative für die Forschung in den Fünf Neuen Ländern (KAI e.V.), ein verlängerter Arm des Bonner Ministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) in Form der Ministerialdirigentin Frau Paffhausen- Valente-da-Cruz, für sie zuständig.

Diese hatte und hat die Aufgabe, ihnen, den positiv evaluierten Ost-Forschern, einen neuen Wirkungskreis zuzuweisen und so lange finanziell auszuhalten. Gaucken und damit gegebenenfalls ausknipsen kann und darf sie diese Wissenschaftler jedoch nicht, da sie keine Behörde, sondern ein Verein ist, aber es gibt einen Integritätsausschuß dort. Und dieser bekam nun von Utz Havemann, der seine „Akte“ gelesen hatte, zu hören: der Kollege Schnaffi habe Berichte über ihn sowie über die Kollegin Merkel geschrieben.

Alle drei durften zu DDR-Zeiten immer mal wieder privat ins nicht-sozialistische Ausland fahren, Utz Havemann sogar mit seinem eigenen Trabi: „auf Weisung des Büros Honecker“, wie er seinen neidischen Kollegen stolz verriet. Schnaffi fuhr des öfteren auch dienstlich rüber – nach Rom, wo er in einigen Physikerkreisen schon fast dazugehörte. Eines Tages nun begehrte das MfS von Schnaffi Bericht über Utz Havemann und Angela Merkel: Die beiden hatten zur Abwechslung ebenfalls Dienstreisen beantragt, von Schnaffi wollte man nun wissen, ob er diese befürworte.

Über Utz Havemann, der von Kollegen als eine ziemliche Physikpfeife, aber begnadeter Datschen-Ausbauer und Künstlersammler eingestuft wird, schrieb Schnaffi: Man solle ihn ruhig ausreisen lassen, sein mögliches Wegbleiben wäre kein allzu großer Verlust für die DDR-Forschung. Ähnlich positiv fiel auch seine Stellungnahme zu Angela Merkel aus. Beide durften dann auch tatsächlich auf Dienstreise nach Westdeutschland, dank Schnaffi.

Im Integritätsausschuß nun bemängelte KAI-Chefin Paffhausen den Inhalt dieser Schnaffi-Berichte überhaupt nicht, wohl aber den „konspirativen Weg“, den sie genommen hatten. Schnaffi mußte sich sagen lassen: Wenn Sie diese köstlichen Stellungnahmen seinerzeit auf dem normalen staatlichen Leitungsweg abgegeben hätten, wäre Ihnen nichts passiert.

Der arbeitslose Physiker bemüht sich jetzt um eine neue Stelle in Rom, auf Utz ist die Rest-Havemann-Familie sauer wegen seiner überflüssigen und dummen Denunziation, und Angela Merkel erzählt als Ministerin weiter irgendwelche Mutter-Mittelpunkts-Märchen. In summa: Das Leben in Neufünfland geht weiter seinen sozialistischen Gang. Helmut Höge

wird fortgesetzt

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz zahl ich illustration
taz zahl ich

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – ohne Paywall. Das geht nur, weil sich viele Leser:innen freiwillig an der Finanzierung beteiligen und unseren kritischen Journalismus unterstützen. Sind Sie schon dabei? Unterstützen Sie jetzt die taz.