■ Normalzeit: Hey, Mister Handyman!
Wer wissen will, was diese komischen Funktelefonbesitzer, die sich ähnlich epidemisch ausbreiten wie die Batschkapp-Träger, immer so wichtig-wichtig zu besprechen haben, der sollte zur Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft am Peter-Alexander-Platz gehen. Dort steht im Foyer, am Fahrstuhl und – wegen der besseren Verbindung – vor der Tür stets mindestens ein Dutzend dieser total berüchtigten Topmanager mit Handys am Ohr und spricht – ja, über was reden sie eigentlich? Man denkt doch: Sie verhandeln unentwegt irgendwelche Vertragsklauseln, legen letzten Verbalschliff ans Kleingedruckte, ringen um Bauanträge und feilschen um Investitionssummen, und sie gebrauchen dabei alle dialogischen und geschäftlichen Tricks, bekannt aus Harvard-Handbüchern und Harzer WKZWO-Führungskräfte- Akademien ...
Aber nein: Sie verabreden sich zum Brunch, zum Buffet, zu einem gepflegten Imbiß, zu einem schnellen Sushi-Snack – in gutgepflegten Gaststätten, Hotelbars, auf Tennisplätzen, sie laden ihre Gesprächspartner in Restaurants und Cafés ein oder bedanken sich für eine ebensolche Einladung, bestellen Mietautos oder einen bereits angezahlten Geländewagen ... Und das war's dann auch schon.
Ganz anders sieht es bei den barbesitzenden Handymen aus – egal ob am Senefelderplatz, am Stutti, in Neukölln oder in der Lietzenburger Straße: Fast immer verabreden sie sich gerade zu einer Box- oder Catchveranstaltung oder bestellen für eine solche Karten, auch der Türkische Ringer-Verein erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In den eher bescheiden-spießigen Weddinger Nachtbars hat man dagegen gerne noch eine andere Verwendung für die Angebertelefone. Sie werden dort vertickt – unter anderem von einem ambulanten Taiwanesen mit geschliffenen Deutschformen und Umgangskenntnissen. Sofern es sich bei den Bars um Bordellnebenbetriebe handelt, wird mit den Handys natürlich auch immer wieder hektisch hinter den Mädchen her telefoniert, die ihrerseits dann auf die dort zusätzlich vorhandenen 50-Pfennig-„Club-Telefone“ angewiesen sind.
Die Handymen scheinen davon auszugehen, daß ihre Telefonate irgendwie privater, unüberwachter sind. Sofern es sich dabei um ihrer Meinung nach illegale Absprachen handelt, fühlen sie sich damit, schnurlos hin und her gehend, freier. Zufällig in der Nähe Stehende werden jedoch eher bei Handy-Gesprächen hellhörig als bei „normalen“ Schnurtelefonaten. In Behörden- und Geschäftsbüros wecken Handy- Anrufe bei im Raum sich Aufhaltenden sogar oft den Verdacht, just einem mindestens halbgeheimen Informationsaustausch beizuwohnen, weswegen die Angerufenen nicht selten mit dem Gespräch ins andere Zimmer abwandern, den Besucher sogar einen Moment hinausbitten oder, umgekehrt, den Anrufer selbst kurz abfertigen: „Ich habe noch ein Gespräch hier. Kann ich Sie gleich zurückrufen?“
Die quasi öffentlichen Schnurtelefone in den Büros haben dadurch ihre Funktion verändert. Anrufe auf diesen Apparaten sind stets, wenn auch stöhnend, erwünscht. Das Rrrrrrr signalisiert jedem, begehrt und vollbeschäftigt zu sein. Deswegen kommt man telefonisch überall hin und rein – viel leichter als persönlich, mit Referenzen und Terminkalender.
Immer mehr Betriebe lassen die Mitarbeiteranrufe per Computer aufzeichnen. Einige Gewerkschaften prozessieren zur Zeit noch über die Anzahl der Stellen, die von den angerufenen Nummern gespeichert werden dürfen, sie wittern Angriffe auf Daten- und Informantenschutz. Neulich gab es auch schon einen ersten Angriff auf die angeblich nicht faßbaren Mobilfernsprecher, und zwar vom Bundeskriminalamt. Es ließ die Russen-Mafia via Springer-Presse wissen, sie wären sehr wohl in der Lage, auch deren verbrecherisches Funktelefon-Gequatsche vollauf unter Kontrolle zu kriegen. Das war aber bloß ein preisgünstiger Bluff, wie mir linke Abhörspezialisten hernach versicherten. Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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