■ Normalzeit: Das Lachen in Sibirien
Neulich gab es hier in Berlin eine Ausstellung über die Mongolei, die von einem Wissenschaftler begleitet wurde, der daheim seine Doktorarbeit über mongolische Polizistenwitze geschrieben hatte. Seine Arbeit wird noch immer unter Verschluß gehalten.
Mein größter Wunsch ist es, einmal die näheren Gründe einiger Lacher in Sibirien zu erforschen. Ich weiß, es gibt derzeit weniger denn je in Sibirien zu lachen, wo gerade die halbe Bevölkerung auf dem Rückzug (nach Rußland) ist und die andere Hälfte, die Urbevölkerung, mehr denn je dem Suff verfällt, dennoch wird auch jetzt noch in Sibirien gelacht. Das weiß ich von einem Baikal-Ausflug im letzten Frühling.
Im hiesigen Fernsehen lief gerade ein mehrteiliger polnischer Film: „Wildes Sibirien“, produziert von ZDF und arte. Ein wunderbares Werk, in dem jedoch nur ganz wenig gelacht wurde. Besonders traurig war der zweite Teil, in dem es um den russischen Lehrer Anatoli Grigorjewitsch Popow und seine sibirischen Kinder ging, die bereits im zarten Alter Saufgelage spielen. Ihr Schule befindet sich zweitausend Kilometer vom Nordpol entfernt in Ust-Avam auf der Halbinsel Taymyr, mitten in der Tundra, neun Monate im Jahr in Eis und Schnee.
Popow ist ein Lehrer, wie man ihn sich in seinen schönsten Träumen vorstellt: ein wunderbarer Mensch also. Wobei hinzugefügt werden muß, daß man komischerweise in Sibirien laufend auf ganz wunderbare Menschen stößt. Auch Popows Schulkinder, insbesondere die schon etwas älteren Mädchen, von denen viele Waisen sind, weil ihre Eltern im Suff erfroren, waren sehr beeindruckend.
Zufällig bearbeitete ich gerade eine Presseerklärung der Stiftung Werkschule, als der Film lief. Die Weddinger Werkschule, das war auch ein sehr schönes pädagogisches Projekt – für Heimkinder, an dem meine alten Freunde und Kampfgenossen Rüdiger und Ramba beteiligt waren.
Von den übriggebliebenen Geldern nebst zwei Häusern, die sie aufgrund ihrer sparsamen Wirtschaftsweise (das Kollektiv zahlte sich nur etwa 250 Mark Taschengeld im Monat aus) in die Stiftung einbringen konnten, wollen sie nun „Initiativen im Bereich von Erziehung, Bildung, Völkerverständigung, Jugend und Altenhilfe“ unterstützen.
Ich beantragte sofort, Popow und seine Schüler für einige Wochen oder Monate nach Berlin einzuladen. Von der für die Filmausstrahlung verantwortlichen Frau in der Redaktion Außenpolitik des ZDF erfuhr ich dann jedoch: „Alle Verbindungen nach Ust-Avam sind abgebrochen. Es haben sich schon zig Leute bei uns gemeldet, die Popow und den Kindern helfen wollten, viele wollten das eine oder andere Kind sogar adoptieren. Es gibt aber keinerlei Kontakte mehr nach dort. Der Flugverkehr ist gänzlich eingestellt worden, aus Benzinmangel. Auch gibt es kein Telefon. Es ist alles sehr traurig. Um den Film dort drehen zu können, mußten die Leute aus Warschau dem Dorf mehrere Kisten Wodka spenden. Ganz schrecklich! Und mehr kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Außer, daß die Serie ,Wildes Sibirien‘ ab dem 13. Januar, jeweils um 12.35 Uhr, im ZDF wiederholt wird. Der Film über den Lehrer und seine Kinder läuft am 20. Januar.“
Ich gebe noch nicht auf: Wir brauchen jetzt einen guten Piloten mit einer Maschine! Bitte melden, beim äußerst hilfsbereiten taz-Empfangskollektiv am besten. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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