■ Normalzeit: Kein Pardon am Mekong
Noch einen drauf auf die nachösterlich-zerknirschte Vietnam- Meaculpa von Christian Semler (taz 29./30.4.) setzte am selben Tag das Treffen der Gesellschaft der Exilvietnamesen (GdE) in der Urania: Alles vietnamesische Unglück begann mit dem Ende des Krieges und dem Abzug der Amerikaner! Aber auch Alexander Smoltczyks „Reportage“ neulich in der Wochenpost war nicht unheckelmännisch. Unsere hauptstädtischen Zigarettenvietnamesen werden nämlich – feige und unterirdisch – von den als besonders gemein geltenden Vietkong-Kadern der Provinz Nghe- Tinh aus gesteuert. Kettenraucher allesamt!
Die Gesellschaft der Exilvietnamesen, zu der in Berlin das „Vietnam-Haus“ der boat- people in der Großbeerenstraße gehört, verteilte zur Untermauerung ihrer Thesen über das Terrorregime eine Broschüre „Vietnam 1975-1995: 20 Jahre Zerstörung von Menschen und Natur“. Ein Schweizer und zwei Westdeutsche wurden, als Ortsvorsitzende, mit Urkunden geehrt, anschließend konnte man sie gerade noch davon abhalten, sich sofort und quasi erneut in das Mekong- Delta zu stürzen, um die Kommunisten nun aber wirklich vernichtend zu schlagen.
Die anwesenden Südvietnamesen waren friedlicher gestimmt – mit Volkstänzen und einheimischen Leckerbissen. Bis auf einige aus dem RCDS, die schon seit 20 Jahren ihren Freiheitskampf mitten im „Herzen Deutschlands“ – in Göttingen – austragen. Anfänglich vor allem gegen den Juso Gerhard Schröder, der immer, wenn er nicht weiter wußte, „Ho Ho Ho Tschi Minh“ brüllte, und der auch heute noch unbelehrbar ist. Ich will gerne gestehen, daß ich auch lieber quasi allein gegen solch Göttinger Gimpel kämpfe, als im Verein gegen General Giap.
Noch mal zu Semler. Er war, wie Jürgen Horlemann und Antje Vollmer, einst ein KPD-Vollblutpolitiker, der sich um Grußbotschaftsaustausch mit der Bruderpartei in Hanoi bemühte. Für mich, der von der ganzen Politik nur einen Aspekt, die Revolte, versteht (und noch nicht mal die), war es dagegen das größte, vor Jahren von Frau Barckhausen, der Sekretärin der Ostberliner Vietkong-Botschaft eingeladen worden zu sein und ihren Erzählungen über die heldenhaften Kämpfe der Bauern gegen die Amis – mit Bienen, Pfefferschoten in Affenärschen, Elefanten und Giftpflanzen etc. – lauschen zu können. Davor arbeitete ich bei der US-Air-Force als Übersetzer, wo man mir laufend Schulungsfilme über die wunderbaren Wehrdörfer in Vietnam zeigte, in denen John Wayne als Advisor auftrat und schwarze GIs jungen Vietnamesen beibrachten, wie man sich mit Seife wäscht. Es mußte erst ein katholischer Priester im Offiziersrang mit einem von seiner Frau gebackenen Kuchen kommen, um mich von der Verlogenheit dieser Scheiße zu überzeugen. Dieser sagte 1966 genau dasselbe, was heute Mc Namara an Vietnam-Zerknirschung veröffentlicht, den übrigens der senile Alfred Dregger konsequent „Mc Banana“ nennt.
Mit Frau Barckhausen, deren Schwester Steffi damals einen linken Buchladen an der FU leitete, ging es dann so weiter: Erst einmal redete sie den von Soli-Spenden lebenden Vietkong-Botschaftern aus, sich sofort Mercedesse zuzulegen: „Schwedische Volvos tun es auch!“ Dann verliebte sie sich in einen der Botschaftsangehörigen. Und der wurde daraufhin nach Stockholm strafversetzt, was Frau Barckhausen so in Nöte brachte, daß sie uns nicht mehr empfangen konnte oder mochte. Dann siegten aber auch sowieso bald die Kommunisten daheim, und es begann die Friedenszeit, die schreckliche.
In den nächsten zwei Monaten finden dazu unter reger Beteiligung des Ostberliner Tabak-Vietkong bis Ende Juni die „Vietnam- Tage“ in Berlin statt. Geboten werden Lackarbeiten, Lampionbau, Kung-Fu-Tricks, Nutzpflanzen aus Vietnam, Reisen nach Vietnam und „Verkaufen in Vietnam“ – ein Seminar der Berliner Bank, in dem es darum geht, durch geschicktes Handeln die Tabaksteuer wieder zurückzuholen. Helmut Höge
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