■ Normalzeit: Gescheiterte Erpressungsversuche
„Ja, mit dem Bauch wächst eben der Verstand“, bemerkte jüngst Rainer Barzel – in der Interviewserie des Stern: „Was macht eigentlich? – über die Bockenheimer Grünen Fischer und Cohn-Bendit. Das aber nur am Rande. Es geht mir eher um Dagobert: Kein Schwein berichtet mehr was über den Tempelhofer Kaufhaus-Erpresser, über den es mittlerweile mehrere Bücher gibt. Der Staatsanwalt hat Revision gegen das Urteil eingelegt (soviel antikriminelle Energie hätte ich ihm gar nicht zugetraut). Die taz wurde dem Inhaftierten bereits nach Tegel zugeleitet, er ist aber nach wie vor in Moabit. Dort soll ihm Boxpromotor Speer sehr geholfen haben, über den es jetzt ebenfalls ein Buch gibt. Aber auch bei anderen U-Häftlingen ist Dagobert beliebt: Nicht zuletzt, weil seine Verbrechen in der Ansehenshierarchie weit oben rangieren, ganz unten sind die Kinderschänder.
Dagoberts Frau, Edna, soll sich vom Honorar der Super Illu (brutto 91.000 Mark), der sie „ihre Geschichte“ samt den Zeichnungen und Photographien ihres Mannes verkaufte, ein Haus auf den Philippinen gebaut haben (dort kann man schon für 30.000 eine Villa kriegen). Ansonsten soll sie weiter in Tempelhof wohnen, der Hauswirt kam ihr mietenmäßig entgegen. Funkes Anwalt, Wolfgang Ziegler, meint, daß sein depressiver Mandant zwar nicht, wie anfänglich befürchtet, im Knast abgestürzt sei, aber ein „Auf und Ab“ gäbe es schon, weil die derzeitige „ungeklärte Situation“ an seinen Nerven zehre.
Der Staatsanwalt hat den Bundesgerichtshof angerufen, um eine höhere Bestrafung zu erreichen. Auch Funkes Anwalt will sich an die Bundesrichter wenden, natürlich um eine höhere Bestrafung zu verhindern. Parallel laufen bald die Zivilklagen der Versicherungen und des Karstadtkonzerns an: Dabei ist wieder von der magischen Zahl „6 Millionen“ (DM-Schaden) die Rede. Andererseits laufen noch Honorar-Verhandlungen mit der UFA, wegen eines Dagobert-Films. Abgesehen vom Super Illu-Scheck für seine Frau hat Arno Funke bisher noch keinen Pfennig von den Medien gesehen, deren Held und Auflagen- beziehungsweise Einschaltquotenhit er jahrelang war.
Ich bekam gerade die Kopie eines Faxes an „Herrn Roman Herzog, Spreeweg 1“ zugeschickt. Absender war ein mir unbekannter Stefan Kayser aus Berlin 12004. Dem „sehr geehrten Bundespräsidenten“ schrieb er auf einer US-Schreibmaschine: „Ich gestehe Ihnen offen, daß ich mit meiner zweiten Frau gemeinschaftlichen Diebstahl im Kaufhaus Karstadt veruebte. Gewissermassen aus Rache für jahrzehntelangen Mogelbetrug bei Obst, Gemuese, Suedfruechten und Speisekartoffeln. Angesichts der Tatsache, daß Mauerschuetzen freigesprochen werden, bitte ich Sie, Herrn Arno Funke zu begnadigen.“
Dem möchte ich mich anschließen. Aber so weit sind wir noch nicht. Auch für eine von den Massenmedien zu finanzierende Dagobert-Befreiungsaktion „Der Mitbürger als Bewährungshelfer“ ist es noch zu früh. Hier ist erst einmal Arno Funkes vorläufige Postanschrift: JVA Moabit, Alt-Moabit 12a, 10559. Denn „Verbrecher lieben es, Briefe zu bekommen“, wie uns Daniil Granin in seinem neuesten Roman, der vom Berliner Kultursenat gefördert wurde, versichert. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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