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NormalzeitGeldverdienen

■ Von Helmut Höge

Im polnischen Kulturinstitut am Fernsehturm stellte Grazyna, ein junge rothaarige polnische Regisseurin, ihren neuen Film vor: „Durch den wilden Osten“ – 7.000 Kilometer begleitete sie drei Kirgisen, die Autos von Stuttgart nach Bischkek überführten. Auf den westdeutschen Automärkten wimmelt es von postnomadischen Kirgisen.

Kirgisistan war lange Zeit mein Wunschwohnland. Und auch die drei Kirgisen des Films enttäuschen mich nicht. „Handeln, das ist wie Suppe kochen,“ erklärt der eine, „man muß so lange warten können, bis der Preis akzeptiert wird.“ Und der andere sagt: „Geldverdienen – braucht Kraft und Mut, das Leben ist eine Kunst.“ Leise fügt er hinzu: „Meine Frau und ich sind gescheitert.“ Er hat bereits 11 Autos „überführt“, das schlimmste sind unterwegs die Polizisten. Im Autoradio läuft – während der Uralüberquerung „Non, je ne regrette rien!“ – Grazynas Musikwunsch, vermute ich, die Fahrer hätten kirgisische Popsongs gewählt. Sie möge gefährliche Situationen, erklärt Grazyna hernach einer Zuschauerin.

Ich bekomme plötzlich Hunger und gehe in die Kochstraße. Vor dem taz-Restaurant schieben – „wegen der Kurden“ – drei Polizisten Wache. Der Ex-Oberst, Redakteur Füller, hat sie bereits mit Essensmarken versorgt. Ich gehe nach nebenan ins argentinische Steakrestaurant „Badaro“. Es gehört einem armenischen Ehepaar. Der Koch ist aus Tunis. Er hat dort einen Laden. Weil aber der Vater seiner Frau – im Wedding – alt und krank geworden ist, haben sie den Laden an Verwandte übergeben und sind nach Berlin zurückgegangen, um ihn zu pflegen. Bis er stirbt, müssen sie sich jetzt hier irgendwie einrichten.

Meistens bedient mich im Badaro ein Pole. Den ich jedoch lange für einen Italiener hielt. Er fuhr auch immer gerne mit seiner blonden jungen Frau – aus Lichterfelde – nach Italien. Jetzt hat sie aber ein Kind, das sie mit ins Badaro nimmt, wenn sie – zusammen mit ihren Eltern – ihren Mann dort besucht. Weil die beiden nun schon seit Wochen in Polen sind, wo er gerne ein eigenes Restaurant aufmachen würde, bedient mich sein Kollege, ein Grieche. Dieser leidet ein bißchen darunter, daß er in Deutschland geboren ist und sich nun – z. B. in Saloniki – wegen seiner Sprache nicht richtig heimisch fühlt. Hier aber auch nicht, denn in Griechenland gefällt ihm inzwischen alles besser: vom „Klima“ bis zur „Lebenseinstellung“. Sein Vater hat in Berlin eine Kfz-Werkstatt. Neulich reparierte er ihm nach einem Unfall kostenlos seinen Geländewagen.

Auch der Sohn des armenischen Ehepaares hatte vor einiger Zeit sein Auto ramponiert. Er war nervös: Er kellnerte – ungerne – im Badaro, und nebenbei versuchte er noch, mit Aktien zu spekulieren. Einmal wollte er schnell verkaufen, kam aber bei seiner Bank telefonisch nicht durch und ging unter die Dusche. Anschließend war er fast bankrott, und jetzt betreibt er einen Schmuckladen.

All dies erfuhr ich so nach und nach, wenn ich im Anschluß an einen taz-Termin noch ins Badaro ging. Diesmal sprach mich – erstmalig – die Wirtin an: Sie hätte da noch ein Lokal in der Hermannstraße 168, das „Viva“: ein spanisch-italienisches Restaurant, für das sie einen neuen Pächter bräuchte (Tel: 25 t191 08). Ich kannte das Lokal, das gerne von den Neuköllner Freunden des spanisch-italienischen Fußballs besucht wird. Es ist eine Grotte, d. h. man hatte viel Geld in die Inneneinrichtung gesteckt. Und deswegen ist es sehr ärgerlich, wenn es lange leersteht. „Vielleicht können Sie über die Zeitung was machen, wenn nicht – inschallah“, sagte die Wirtin und lächelte.

Eine Armenierin sagt „inschallah“?, wunderte ich mich, aber dann fiel mir ein Armenier in Schöneberg ein, mit dem ich mal ins Geschäft kommen wollte. Er hatte Dörrobst von Persien in den Kaukasus importiert und war damit reich geworden. Noch seine hier geborene jüngste Tochter sagte gerne „inschallah“ – und ihr alter Vater freute sich darüber jedesmal sehr.

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