Nordderby in der Handball-Bundesliga: Flensburg ganz oben

Handball-Meister SG Flensburg-Handewitt gewinnt für viele überraschend auch sein viertes Bundesligaspiel – gegen den mal wieder hoch gehandelten Rivalen THW Kiel.

Kiels Hendrik Pekeler versucht, dem heranstürmenden Flensburger Jim Gottfridsson den Ball abzujagen.

Griffig im Spiel, lakonisch danach: Kiels neuer Schlüsselspieler Hendrik Pekeler (links) Foto: dpa

FLENSBURG taz | Es sei egal, hatte Viktor Szilágyi, Sportlicher Leiter des THW Kiel, vor dem 98. Nordderby gesagt, ob es nun „der dritte, der 20. oder der 30. Spieltag ist“. Derby ist Derby, bleibt Derby. Und so war es auch am Sonnabend, als der deutsche Handball-Meister SG Flensburg-Handewitt in der Bundesliga den Rekordmeister THW Kiel empfing. Wahrscheinlichkeiten, Prognosen spielten plötzlich keine Rolle mehr. Am Ende siegte die SG mit 26:25.

Was daran abzulesen ist? 8:0 Punkte, Tabellenführer über Nacht – es ist schon ein großes Ausrufezeichen, das die Mannschaft von Trainer Maik Machulla da gesandt hat. Denn vor dem Beginn der Spielzeit hatten Experten und Ligatrainer keinen Pfifferling auf den immerhin amtierenden deutschen Meister gesetzt.

Zu groß der Umbruch nach dem Weggang von sechs Spielern, darunter Vereinslegenden wie Thomas Mogensen, Jacob Heinl und dem heutigen THW-Torwarttrainer Mattias Andersson; dazu Leistungsträger wie Torwart Kevin Møller, Kentin Mahé und Henrik Toft Hansen. Ersetzt wurden sie durch Bundesliga-Novizen.

Die Trainer der Erstliga-Klubs prognostizierten der Liga deshalb einmal mehr einen Zweikampf zwischen dem THW und den Rhein-Neckar Löwen. Und bei der SG betonte Manager Dierk Schmäschke: „Die Mannschaft braucht und bekommt Zeit und Rückendeckung.“

Der THW hat sich gut verstärkt

Ganz anders in Kiel: Die Mannschaft von Trainer Alfred Gislason, der in sein letztes Jahr als Bundesliga-Trainer geht, ist im Kern zusammengeblieben, wurde punktuell und stark ergänzt. Entscheidende Personalie ist Hendrik Pekeler. Der Kreisläufer und Abwehrstratege kam von den Löwen aus Mannheim, ist der Kieler Königstransfer – wenn nicht sogar der wichtigste Transfer der Bundesliga in diesem Sommer überhaupt. „Er verschafft uns eine ganz neue Qualität in der Abwehr“, sagt Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilagyi.

Der heute 27-Jährige war mit 18 bei den Zebras gescheitert. Er hatte eine Karriere beim Rekordmeister auf dem Silbertablett serviert bekommen und nichts draus gemacht, hatte lediglich als Partylöwe reüssiert. Auf seinem Umweg durch die Liga ist Pekeler schließlich zum Weltklasse-Kreisläufer gereift, wurde 2016 mit den Bad Boys Europameister, gewann Olympia-Bronze und kam nun – dekoriert mit zwei Meistertiteln bei den Löwen – zurück an die Kieler Förde.

THW-Star Hendrik Pekeler auf die Frage, wo seine Mannschaft nach drei Spielen steht

„Hinter Flensburg“

Pekeler ist die Schlüsselfigur in einem insgesamt völlig neu tarierten Konstrukt. Der ehemalige Welthandballer Filip Jicha komplettiert mittlerweile als Assistenztrainer die sportliche Leitung mit Trainer Gislason und Sportchef Szilágyi. Sein wichtigstes Aufgabenfeld ist die 6:0-Deckung, die sich seit Saisonbeginn zur Verblüffung der Konkurrenz in einem spanisch inspirierten, waghalsig offensiven Gewand präsentiert.

Diesen neuen Kieler „Riegel“, der die gegnerischen Spieler auf den Halbpositionen weit jenseits der Neunmeterlinie in Empfang nimmt, sie abprallen lässt oder wahlweise an den offensiven Mittelblockspieler weiterreicht, hatten die Flensburger in ihrem Matchplan berücksichtigt.

Der Ex-Kieler Rasmus Lauge, dem die ersten drei Tore des Gastgebers gelingen, hinterläuft die Kieler Reihen. Und von Umbruch kann bei der SG sowieso keine Rede sein. Sieht man einmal von Neuzugang Benjamin Burić im Tor ab, steht da ein durchweg eingespieltes Team auf dem Parkett.

Doch solange die THW-Defensive ihre ganze Wucht entfaltet, ist Flensburg im Hintertreffen. Kiel schaltet schnell um, demons­triert Harmonie zwischen Rückraum und Pekeler, dieser universellen Schachfigur am Kreis mit einem schier unbegrenzten Handlungsrepertoire.

Zu viele Fehlwürfe

Niklas Landin macht eine starke Partie im Tor, zwischenzeitlich führt der THW mit 11:8 Doch dann verliert der Gast eine Partie, die er nicht verlieren müsste. „Die Schwächephase vor der Pause war zu lang, unsere Wurfausbeute zu schlecht“, sagt Hendrik Pekeler. Und das ist fast noch untertrieben.

Zehn Fehlwürfe vor der Pause, 19 insgesamt brechen dem THW das Genick. Nach dem Schlusspfiff einer Abwehrschlacht, die zwei schwerfällige Offensivreihen gesehen hat, singen nur die Heimfans: „Die Nummer eins im Land sind wir!“

Die SG hat damit also einen perfekten Saisonstart hingelegt. Und wo steht der THW? Hendrik Pekeler beantwortete die Frage mit Galgenhumor: „Hinter Flensburg.“

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