■ Nord-Süd-Verirrung: Polizei gegen Samurai
Olaf B. erwachte aus tiefem Schlaf. Schließlich war es vier Uhr nachts, als der Bohrer sich durch sein Türschloss wand. „Scheiße, Einbrecher!“, dachte er schlaftrunken und ging zur Tür. „Polizei!“, hörte er es dahinter rufen. „Vielleicht brennt es“, dachte er. Und tatsächlich, die Feuerwehr war in jener Nacht dabei – aber nur um beim Einbrechen zu helfen.
Nach einer Viertelstunde war es geschafft: Mit vereinten Kräften war das inzwischen verkantete Schloss geöffnet. Die Polizeibeamten würdigten Olaf B. nur eines kurzen Blicks, bevor sie sich in der Wohnung umsahen. In der falschen, wie schnell klar war.
Was war passiert? Ein junger Mann hatte an der Domsheide eine Telefonzelle demoliert und Passanten mit einem 40 Zentimeter langen Dolch bedroht. Die herbeigerufene Polizei sah ihn gerade noch in einem Haus in der Dechanatstraße verschwinden. Hinterher, hieß die Devise, aber im Treppenhaus war niemand zu sehen. Doch gestandene Polizisten kann so was nicht erschüttern. Wofür gibt es Melderegister? Zeugen hatten den Mann als 25 bis 30 Jahre alt beschrieben, und nach Aktenlage gab es genau einen Mieter, auf den das passte – wenigstens so ungefähr.
Also wurde bei dem 34-jährigen Olaf B. geklingelt, geklopft, getrommelt und gerufen. „Ich schlafe bei offenem Fenster“, sagt der Betroffene, „da hört man bei dem Geräuschpegel in der Stadt nicht alles.“ Die Polizisten waren dagegen überzeugt: Der will nicht hören. Zumal sie meinten, aus der Wohnung des Schlafenden Geräusche zu hören. Und dann flog auch noch ein Gegenstand in den Innenhof: Die Tatwaffe! Ein Samurai-Dolch mit 22 Zentimeter langer Klinge. Da wurde es den Ordnungshütern zu bunt. Sie riefen die Feuerwehr. Die brauchte eine Viertelstunde, um anzurücken. Zeit genug, um sich die örtlichen Gegebenheiten noch einmal vor Augen zu führen: Die Wohnung von Olaf B. liegt nach Norden, der Innenhof nach Süden. Das Messer hätte der zu diesem Zeitpunkt noch friedlich Schlummernde also über den Dachfirst werfen müssen. O.K., Samurai sind exzellent ausgebildet, und es war dunkel – wie soll man da die Himmelsrichtungen erkennen?
Den Polizisten war ihr Irrtum dennoch unangenehm. Einer fuhr gar nach Hause und holte ein Ersatzschloss, leihweise. Für ein Neues hat die Staatskasse nach fünf Wochen 258,68 bezahlt. Und die Innenrevision der Polizei bittet Olaf B., ihre Entschuldigung anzunehmen, aber man habe keine andere Wahl gehabt. Mittlerweile wurde ein Verdächtiger ermittelt: Ein Nachbar von Olaf B., der sich noch nicht polizeilich angemeldet hatte.
Die am Einsatz beteiligten Beamten hat Olaf B. inzwischen zu einem Kaffee-Pläuschchen über die Aktion eingeladen – aber erst ab 7:30 Uhr, wenn er aufgestanden ist. jank
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