Nord-Ostsee-Kanal: Kur für Kaisers Kanal
Häfen und Unternehmen aus Schleswig-Holstein und Hamburg fordern von der Bundesregierung eine Milliarde Euro zur Sanierung der Wasserstraße.
HAMBURG taz | Der Nord-Ostsee-Kanal muss dringend saniert und ausgebaut werden. Das forderten am Montag Vertreter von Hafenwirtschaft und Unternehmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Der Kanal sei „die kürzeste, schnellste und umweltfreundlichste Seeverbindung in den Ostseeraum“, sagte Jens Meier, Chef der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA). „Die Funktionstüchtigkeit dieser Lebensader ist eine nationale Aufgabe.“
Der 118 Jahre alte Kanal durch Schleswig-Holstein ist die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Schleusen und Technik indes stammen oftmals noch aus Kaisers Zeiten und müssten dringend erneuert werden. Das hatte im April auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf der Nationalen Maritimen Konferenz in Kiel zugestanden – dann aber auf die knappen Kassen verwiesen. Den Sanierungsstau beziffert Jens Broder Knudsen, Vorsitzender des Vereins Kiel-Canal, „auf bis zu eine Milliarde Euro“. Er hofft auf ein milliardenschweres Sondervermögen Infrastruktur, über das in den Berliner Koalitionsverhandlungen zurzeit beraten wird.
Der Seeweg zwischen Hamburg und St. Petersburg beträgt über das Skagerrak und den Großen Belt rund 1.300 Seemeilen, durch den Kanal nur 900 Seemeilen. Dadurch verkürze sich die Fahrzeit eines Feederschiffes im Durchschnitt von 77,5 Stunden auf 62,5 Stunden, die Kosten fielen von 104.000 Euro auf 88.000 Euro, rechnete Knudsen vor. Zudem verringere sich der Treibstoffverbrauch von 95 Tonnen Dieselöl auf 69 Tonnen. Das sei auch ökologisch bedeutsam, sagte Meier.
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal, seit 1948 Nord-Ostsee-Kanal genannt, wurde 1895 eröffnet.
Länge: Er verbindet auf 98,26 Kilometern Länge die Ostsee ab Kiel-Holtenau mit der Elbmündung bei Brunsbüttel.
Breite: Westlich von Rendsburg ist die Sohle 90 Meter breit, der Wasserspiegel 162 Meter. Östlich von Rendsburg sind es 44 und 102,5 Meter. Die Wassertiefe beträgt durchgehend elf Meter.
Kapazität: 2012 transportierten 34.879 Schiffe 104.000 Tonnen Ladung, Höchstwert waren 105.000 Tonnen im Jahr 2008.
Die Sorgen von Unternehmern und Logistikern sind gewaltig gewachsen, seit der Kanal im September vorigen Jahres wegen defekter Schleusen rund zwei Wochen lang gesperrt war. Industriebetriebe wie die Ölraffinerie in Heide rechnen mit einem Umsatzverlust von 500.000 Euro pro Tag, wenn der Kanal nicht befahrbar ist. Für sie ist der Brunsbütteler Ölhafen im Kanal der einzige Exporthafen. Nach zehn Tagen Stillstand wären die Tanks im Werk voll, die Produktion beim größten Steuerzahler Schleswig-Holsteins müsste eingestellt werden. Ähnlich dramatisch sieht es Rainer Keiemburg von Deutschlands größtem Bitumenwerk in Brunsbüttel: „Ohne einen funktionierenden Kanal hat der Industriestandort Brunsbüttel mit 4.500 Arbeitsplätzen keine Zukunft.“
Auf der Wunschliste der Wirtschaft stehen die Sanierung der alten Schleusen in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau, der Ausbau der schmaleren Oststrecke und eine Vertiefung um einen Meter auf zwölf Meter. Zusammen mit dem bereits begonnenen Bau einer fünften Schleuse in Brunsbüttel könnten die Investitionen „sich auf bis zu eine Milliarde Euro belaufen“, sagte Knudsen. 2025 könnte alles fertig sein – „wenn wir jetzt damit anfangen“.
Leser*innenkommentare
Ex-Kieler
Gast
Wie viel Umsatz/Gewinn macht der Kanal denn im Jahr? Sind die Kanalgebühren zu niedrig um den Kanal arbeitsfähig und up-to-date zu halten oder schöpft der Staat (das Land?) zu viel Geld ab?
Finde das eine wichige Infos bei der Diskussion um nötige Investitionen und wer dafür zahlen sollte...
vøid
Die marode Infrastruktur ist ja anscheinend immer öfter ein Thema, sogar in der letzten Heuteshow im ZDF wurde das thematisiert. Da auf eine Studie aus dem Jahr 2000 verwiesen, in der auf der Problem schon aufmerksam gemacht wurde.
Mir kann niemand erzählen, dass die Politik davon nichts weiß. Warum ignoriert man das? Sind andere Bauprojekte wichtiger? Ist Sanierung von Infrastruktur politisch nicht attraktiv genug für den Stimmenfang?
Interessant, absurd oder amüsant (je nach Sichtweise) ist diese Verschwörungstheorie dazu:
http://holgi.blogger.de/stories/2325621/
Jungbürger
Gast
@vøid Bauvorhaben sind selten beliebt, während man sich am Stillstand nicht so reibt, so lange es noch halbwegs funktioniert. So sind die Zukunftsaussichten Deutschlands. Wollen wir das Rentenniveau halten, wenn Unmengen an Menschen in zehn bis 20 Jahren in Rente gehen, dann geht das in Deutschland entweder über eine starke Einwanderung (-> politisch ungewünscht) und/oder einen verstärkten Einsatz der einzigen Ressourcen, die Deutschland hat, um die Produktivität pro Arbeitnehmer zu steigern: Bildung und Infrastruktur. Da hierbei aber auch gegeizt wird und man weitere Schulden für Wahlgeschenke hat, sieht das düster aus. Oder hat sich mal jemand gefragt, was aus der Bundeswehrreform wurde, die uns als Einsparmaßnahme verkauft wurde? Wohl nicht, sonst würden wir diskutieren, wieso prozentual kein Haushalt im Bund in den letzten vier Jahren so stark anstieg wie der des Verteidigungsministeriums. Und einen Konflikt der Generationen, wenn es um Senkung des Rentenniveaus geht, werden die jungen, meist finanziell schlecht gestellten und kaum vernetzten Bürger verlieren. Und wer um 2030 herum in Rente geht, hat oftmals gar keinen Nachwuchs gezeugt, um dessen Zukunft er sich noch Sorgen machen müsste.