: Nord-CDU ist wieder fast Spitze
NACHFOLGE Wirtschaftsminister de Jager soll neuer Parteichef und Spitzenkandidat der CDU in Schleswig-Holstein werden. Als Fraktionschef ist Johannes Callsen nominiert. Fraktion entscheidet am Donnerstag
KIEL taz/dapd/dpa | Schleswig-Holsteins CDU hat sich auf einen neuen Fraktionschef verständigt. Der 45-jährige Johannes Callsen kandidiert auf einer Fraktionssitzung am Donnerstag als einziger Bewerber für den Posten des Fraktionschefs, wie die CDU am Mittwoch in Kiel mitteilte. Der bisherige Fraktionsvize Callsen soll damit die Nachfolge des zurückgetretenen ehemaligen Partei- und Fraktionschefs Christian von Boetticher antreten.
Bereits am Dienstag hatte der erweiterte Parteivorstand Wirtschaftsminister Jost de Jager einstimmig zum neuen Spitzenkandidaten gekürt. Parteivorsitzende Angelika Volquartz sagte zwar, es gebe natürlich kein „Closed Shop“-Verfahren: „Wer weitere Kandidaten benennen möchte, soll es tun.“ Dazu werde es vier Regionalkonferenzen geben, bei denen sich de Jager der Basis vorstellt. Dass es weitere Bewerber gibt, ist aber unwahrscheinlich.
Damit ist so gut wie sicher, dass der gebürtige Rendsburger de Jager im Mai gegen den SPD-Kandidaten Torsten Albig antritt. Beide stehen eher für Talkshow als für Bierzelt, beiden wird taktisches Geschick zugetraut.
„Ich habe mich ursprünglich nicht beworben, aber jetzt, da die Aufgabe auf mich fällt, werde ich sie ausnutzen“, erklärte Jost de Jager.
Euphorie klingt zwar anders, aber dennoch: Nach dem Fall des bisherigen Kronprinzen Christian von Boetticher will die Nord-CDU mit dem Votum für de Jager zeigen, dass sie wieder handlungsfähig ist. In einer repräsentativen Forsa-Umfrage liegt sie nach dem Rücktritt von Boettichers mit 30 Prozent nun erstmals hinter der SPD (32 Prozent).
Von Boetticher war über eine Affäre mit einer damals 16-Jährigen gestürzt. Dass die Details der Beziehung ausgerechnet jetzt herauskamen, scheint vielen Beobachtern nicht zufällig zu sein: Neun Monate vor der Landtagswahl besteht noch die Chance, einen neuen Kandidaten aufzubauen. Von Boetticher, den Ministerpräsident Peter Harry Carstensen lange gefördert hatte, konnte die in ihn gesetzten Erwartungen offenbar nicht erfüllen: Er blieb blass, setzte keine Akzente. So sagen Stimmen im Kieler Landeshaus, die CDU selbst habe dafür gesorgt, dass die Geschichte seiner „echten Liebe“ zu der jungen Frau nun bekannt wurde. Die Geschwindigkeit, mit der die Partei von ihrem bisherigen Spitzenmann abrückte und den Kandidaten de Jager auf den Schild hob, könnte dafür sprechen, dass mancher in der Parteispitze und der Fraktion nicht so ahnungslos war wie von Boetticher selbst. Von Boetticher selbst hält nach Angaben seines Beraters daran fest, dass er während der Liaison mit der Jugendlichen keine Beziehung zu einer anderen Frau hatte.
ESTHER GEISSLINGER