: Nopper strahlt ab
Von unserer Kontext-Redaktion↓
Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, spielen sich im Landtag von Baden-Württemberg bisweilen aufschlussreiche Szenen ab. Ende Juni hat hier die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ ihre Arbeit aufgenommen. In einer Sitzung erkundigte sich der grüne Abgeordnete Oliver Hildenbrand bei der Sozialpsychologin Pia Lamberty: Wie sieht das aus mit der Krisenkommunikation, mit Unwägbarkeiten und schwer kalkulierbaren Risiken? Sollten Politiker:innen ihre Ratlosigkeit durchscheinen zu lassen, wenn in einer Ausnahmesituation niemand wirklich sagen kann, wie Herbst und Winter verlaufen werden? Expertin Lamberty sagte, dass Robert Habecks Stil als Vorbild dienen könne; dass es gut ankomme, auch mal Fehler einzugestehen. Dass es allerdings auch sehr wichtig sei, in der politischen Kommunikation immer den Schein von Kompetenz zu wahren. Sonst wirke das womöglich beunruhigend.
Ziel der Kommission ist es, Strategien zu erarbeiten, mit denen „das baden-württembergische Gemeinwesen für die Zukunft resilienter“ wird, also strapazierfähiger. Geplant war das schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Mit dem Krieg haben sich nun krisenhafte Dynamiken beschleunigt – und um die gesellschaftliche Resilienz ist es, nach zwei Pandemie-Jahren, nicht besonders gut bestellt.
Wie beruhigend, dass es in multiplen Krisensituationen wie der aktuellen nicht nur unübersehbar viele Vorschläge, sondern auch konkrete Ansätze gibt, um Probleme zu lösen. Zum Beispiel in Stuttgart. Anfang Juni berichtete Kontext über den Personalmangel in den städtischen Verwaltungen, besonders in den Bürgerbüros. Und schlappe zwei Monate später tut sich schon etwas. Einst hatten wir über OB Frank Nopper gewitzelt, darüber, dass er fortwährend neue „Chefsachen“ benenne, ohne dass sich konkret etwas tue. Zu früh geunkt. Es kommt auch vor, dass sich eine Chefsache materialisiert, dann heißt sie Taskforce.
Am 8. August verschickte die Stadt Stuttgart die Mitteilung, Nopper setze eine „Taskforce Bürgerbüro“ ein. Diese habe das Ziel, „die Leistungsfähigkeit der städtischen Bürgerbüros zu erhöhen und den Service für Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.“ Nopper verspricht: „Alles, was kurzfristig optimierbar ist, wird umgehend umgesetzt“. Beschwingt von der Dynamik dieser Ankündigung, wächst beim Lesenden das Erstaunen, als umgehend die Ursachenanalyse erfolgt. „Die Ursachen für die zum Teil langen oder sogar sehr langen Wartezeiten“, weiß Nopper, sie sind … „vielgestaltig“. Da gibt es – wo eigentlich nicht? – den Fachkräftemangel, die schiere Größe des Apparats („je größer die Stadtverwaltung, desto größer sind in der Regel die Rekrutierungsprobleme“) sowie Allzumenschliches: „Aktuelle Gründe für die Überlastung sind überdies der Nachholbedarf in Sachen Reisen nach der Corona-Pandemie“. Und, ganz am Schluss, „die große Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine.“
Wie diese Probleme nun angegangen werden, darauf sind wir gespannt. Die Stadt Stuttgart hält sich noch bedeckt, der Erste Bürgermeister Fabian Mayer sinniert trotzdem bereits über die Zeit nach der erfolgten Problemlösung: „Von einer Stärkung der Bürgerbüros versprechen wir uns auch positive Abstrahleffekte auf andere Teile des Amts für öffentliche Ordnung.“ Wie beruhigend.
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