: Noch sieht man Bremen die Armut nicht an
Die Ressorts Bau, Bildung, Soziales, Gesundheit und Finanzen diskutieren über soziale Polarisierung
Darf man seine Kinder an Schulen mit niedrigerem Ausländeranteil schicken oder sollte der Staat verhindern, dass jede Schicht ihre eigene Schule hat? An dieser Frage entzündeten sich auf einer Fachtagung zum Thema „Gesundheit und soziale Polarisierung“ am Freitag im Gesundheitsamt vorübergehend die Gemüter der Fachkräfte aus Verwaltung und freien Trägern.
Der zur Podiumsdiskussion geladene Walter Henschen aus der Bildungsbehörde berichtete von einem Vater, der lieber eine eigene Schule gründen wollte, als sein Kind auf einem Schulhof „mit lauter braunen Köpfchen“ zu sehen. Allerdings brauche man über solche Einstellungen gar nicht lange zu diskutieren, da Privatschulen und die freie Schulwahl nach der Grundschule Fakten seien, so Henschen. Es müsse darum gehen, für die jeweilige Schülerschaft das beste Angebot zu machen. Ein Fehler sei allerdings die politische Vorgabe, möglichst viele Schüler und Schülerinnen zu möglichst hohen Bildungsabschlüssen führen zu wollen. „Wir haben vergessen, dass es Arbeitsbereiche gibt, für die es eine solch hohe Qualifikation gar nicht braucht, für die wir aber eine Klientel haben, die dafür vorbereitet werden muss.“ Als „tragisch“ bezeichnete er Abschaffung der Sozialarbeit an Schulen durch den damaligen Sozial- und Bildungssenator Henning Scherf. „Schule braucht einen Personalmix“, sagte Henschen, ohne Sozialarbeit sei Unterricht gar nicht mehr möglich.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Diskussion: Die Steuerung sozialer Polarisierung durch das Bauressort. „Wir haben das im Auge“, sagte Dorothea Haubold, zuständig für Stadterneuerung beim Bausenator, ohne allerdings die konkreten Fragen beantworten zu können. Welche Auswirkungen die erwarteten Umzüge von Hartz IV-Empfängern auf die einzelnen Stadtteile haben würden, könne sie nicht voraussagen. Auch das Sozialressort tappt offenbar im Dunklen. 7.000 Haushalte seien angeschrieben, weil ihre Mieten zu hoch seien, sagte Karl Bronke, Leiter der Abteilung Soziales. Wie viele davon aber tatsächlich umziehen müssen, weil sie nicht belegen können, dass triftige Gründe dagegen sprechen, sei unklar. Bisher habe es 20 bis 40 Hartz IV-bedingte Umzüge gegeben. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes gab zu bedenken, dass die wenigen günstigen Wohnungen häufig nicht bewohnbar seien, weil sie feucht und schimmlig seien. „Und das liegt nicht daran, dass die Leute falsch lüften, sondern an Baumängeln.“
Wenig Hoffnung machte der Vertreter des Finanzressorts: Es werde wegen des Spardrucks eher weniger Geld für soziale Projekte zur Verfügung stehen als in der Vergangenheit, sagte Reinhold Zech. Und: „Man kreidet uns an, dass man der Stadt die Armut nicht ansieht.“ eib