: „Noch nie solches Chaos erlebt“
Die CDU kritisiert Haushaltsberatungen, die Grünen werfen Finanzsenator Sarrazin vor, die Verfassungsklage zu gefährden. Der sagt, die Wahrheit sei keine Gefahr
Saal 113, 1. Stock Abgeordnetenhaus. Rechts SPD und PDS, gegenüber die Opposition, 29 Männer und Frauen – der Hauptausschuss, nach dem Plenum das wichtigste Parlamentsgremium. Sechsmal hat er schon zu dem überarbeiteten Entwurf für den Doppelhaushalt 2004/2005 getagt. Vier Treffen stehen noch an, bis das Plenum den Haushalt am 18. März beschließen soll. Gegenseitige Kritik ist hier an der Tagesordnung. CDU und Grüne ziehen jetzt ungewohnt kritische Zwischenbilanz der Beratungen über das Milliardenpaket.
„Ich habe noch nie ein solches Chaos erlebt“, urteilt Alexander Kaczmarek, der im Januar nach zweieinhalbjähriger Pause als CDU-Chefhaushälter in den Ausschuss zurückkehrte. Das gehe selbst über die chaotischen Beratungen zum Einigungshaushalt 1990/91 hinaus, die er als Assistent miterlebte. Zur Begründung nennt Kaczmarek eine Flut von Papieren, die die Senatsverwaltungen nachschieben, sowie nicht ausreichende und uneinheitliche Begründungen der Ausgaben. Vielfach werde zudem mit einem „Wir wollen demnächst mal …“ nach dem Prinzip Hoffnung verfahren.
PDS-Finanzexperte Carl Wechselberg wies die „Chaos“-Kritik zurück und sah einen normalen Ablauf der Beratungen. Auch dass viele Fragen in eine Schlussrunde verlagert würden, sei nicht neu. Aus der Finanzverwaltung hieß es zu der Materialfülle, wenn man alle Informationen haben wolle, dürfe man sich über zu viel Material nicht beklagen.
Die Grünen konzentrierten ihre herbe Kritik auf Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD): Der könne offenbar in der rot-roten Koalition härtere Einsparungen nicht durchsetzen und hoffe deshalb auf Sparauflagen vom Verfassungsgericht. Sie stellten sich gegen seinen Kurs, über das bis 2007 laufende Sanierungsprogramm hinaus weitere Einsparungen zu fordern. „Er gefährdet damit die Klage Berlins auf Entschuldungshilfe“, sagten die Grünen-Haushälter Jochen Esser und Oliver Schruoffeneger. Mit dieser Klage beim Bundesverfassungsgericht will das Land dem Bund 35 Milliarden abtrotzen.
Weiter halten es die Grünen für falsch, dass sich der Senat bei seinem Sparhaushalt allein auf eine extreme Hauhaltsnotlage beruft, nicht aber auf ein gestörtes gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht. Das sei zu ändern. Ein Urteil des Landesverfassungsgerichts hatte Ende Oktober den vergangenen Haushalt gekippt und ein schlüssiges Sanierungskonzept gefordert, das sämtliche Ausgaben begründet. Der Finanzsenator entgegnete auf die Grünen-Kritik an seinen angeblich gefährlichen weiteren Sparforderungen: „Die Wahrheit ist eine Gefahr nur für die, die ihr aus dem Weg gehen.“
STEFAN ALBERTI