Noch kein Zusammenhang erwiesen: Tot nach Schweinegrippe-Impfung
In Thüringen starb ein Mann in der Nacht nach der Impfung gegen Schweinegrippe. Ob es einen Zusammenhang gibt, ist unklar. Der Mann wird obduziert. Bislang blieben die Impfreaktionen eher gering.
FRANKFURT ap | Ein 55 Jahre alter Mann aus Thüringen ist etwa einen halben Tag nach der Impfung gegen Schweinegrippe gestorben. Das bestätigte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD) der in Erfurt erscheinenden Thüringer Allgemeine.
Nach Informationen der Zeitung hatte sich der Mann am Donnerstagmorgen impfen lassen und starb dann in der Nacht zu Freitag bei sich zu Hause. Über Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten des Verstorbenen sei bislang nichts bekannt.
Der zuständige Amtsarzt habe ihr zugesichert, dass ein möglicher Zusammenhang zu der Impfung gegen die Schweinegrippe untersucht werde, erklärte Taubert. Sie rechne im Lauf der Woche mit den Ergebnissen.
Mehr Information zur Schweingrippe beim Paul-Ehrlich-Institut, der zuständigen dem Gesundheitsministerium unterstehenden Forschungsstelle.
Trotzdem rief Taubert die Bürger auf, sich gegen die sogenannte Neue Grippe impfen zu lassen: "Es ist aber wichtig, sich vorher mit dem Hausarzt über eventuelle Unverträglichkeiten oder Vorerkrankungen zu beraten", sagte die Gesundheitsministerin.
Zuvor hatte das Magazin Focus unter Berufung auf das Paul-Ehrlich-Institut berichtet, dass bis Anfang der abgelaufenen Woche bei 59 Personen Verdachtsfälle von unerwünschten Reaktionen nach der Schweinegrippe-Impfung gemeldet worden seien. Der jüngste Impfling mit Beschwerden war 16, der älteste 77 Jahre alt.
Am häufigsten wurden Lokalreaktionen an der Injektionsstelle wie Rötung oder Schwellung und Allgemeinreaktionen, die bekanntermaßen nach einer Impfung auftreten können (zum Beispiel Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Muskel- oder Gliederschmerzen, Übelkeit, Lymphknotenschwellung) genannt.
In wenigen Fällen kam es zu schweren allergischen Reaktionen oder Kreislaufbeschwerden. "In keiner Meldung wurde über einen tödlichen Ausgang oder über einen bleibenden Schaden berichtet", hieß es weiter.
Zahl der Neuinfektionen nimmt zu
Die Zahl der Schweinegrippe-Neuinfektionen steigt weiter. "Wir haben jetzt über 15.000 neue Fälle pro Woche, die wir gemeldet bekommen und das sind nur die laborbestätigten Fälle", sagte Gérard Krause vom Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) am Montag im ZDF-Morgenmagazin.
Bei dieser Zahle habe man jedoch eine "ganz große Untererfassung". Ursache sei die Ausbreitung der Pandemie: "Die Fallzahlen sind so groß, dass wir das System geändert haben. Ärzte werden jetzt gebeten, keine Verdachtsfälle mehr zu melden, sondern nur die laborbestätigten Fälle und Todesfälle."
Labornachweise sollten nur da vorgenommen werden, "wo ungewöhnliche Krankheitsfälle auftreten". Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission seien seit September gleichgeblieben. Diese beträfen medizinisches Personal, Schwangere und Personen mit Vorerkrankungen. "Wenn man zur Risikogruppe gehört, sollte man sich impfen lassen, statt darauf zu spekulieren, dass man einen Schutz hat", gab der Experte zu bedenken.
Impfung für Abgeordnete ab Ende November
Außerdem wurde am Wochenende bekannt, dass von Ende dieses Monats an Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter gegen die Schweinegrippe geimpft werden sollen. Ein Sprecher des Bundestags bestätigte am Wochenende einen entsprechenden Medienbericht.
Der Parlamentsarzt führe die Impfungen der Abgeordneten durch, sofern sie gewünscht seien, sagte der Sprecher. Nach anfänglicher Zurückhaltung stieg die Impfbereitschaft der Bundesbürger angesichts der immer größeren Verbreitung der Krankheit deutlich, wie aus Umfragen des Magazins Focus hervorgeht.
Der Spiegel berichtete, die Bundestags-Mitarbeiter seien in der Hausmitteilung aufgerufen worden, sich werktags zwischen 09.00 Uhr und 13.00 Uhr im Sanitätsraum des nahe gelegenen Paul-Löbe-Hauses einzufinden. Die Impfung sei grundsätzlich "allen Personen" empfohlen, heiße es.
Zahl der Impfwilligen gestiegen
Bundesgesundheitsminister Philip Rösler appellierte zugleich in der Welt am Sonntag an die Bevölkerung, sich in Sachen Impfung in Geduld zu üben: "Es sollten jetzt wirklich zuerst diejenigen geimpft werden, die als medizinische Helfer gebraucht werden, und dann das Schlüsselpersonal wie Polizei und Feuerwehr und diejenigen, die ein höheres Risiko tragen, wie zum Beispiel chronisch Kranke."
Einer Umfrage im Auftrag von Focus zufolge stieg die Zahl der Impfwilligen im November auf 21 Prozent, verglichen mit 14 Prozent im Oktober. Nicht impfen lassen wollen sich danach 67 Prozent (Oktober: 78 Prozent).
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