■ Noch ist unklar, welchen Weg Indonesiens Muslime einschlagen: Oligarchie oder Demokratie
Präsident Suharto ging nicht aus eigenem Willen. Während die Studenten die Begleitmusik lieferten, haben pünktlich zum Jahrestag der Indonesischen Unabhängigkeitsbewegung vier der fünf Säulen seines Regimes ihm ihre Unterstützung entzogen.
Die internationale Finanzwelt hatte halbherzig zu ihm gehalten, denn sie konnte sich seit einem halben Jahr nicht entscheiden, ob sie ihre umfangreichen Investitionen in Indonesien abstützen oder abschreiben soll. Daneben ruhte die blutigste Diktatur Asiens jahrelang auf einer informellen Koalition von Militär, muslimischen Organisationen und feudalem Adel. Diese unheilige Allianz wurde bereits 1965 geschlossen. Ihre Geburtshelferin war die CIA, die nicht tolerieren konnte, daß das größte Land Südostasiens eine neutrale und unabhängige Politik ansteuerte und mit dem vietnamesischen Befreiungskampf sympathisierte. Schon damals ließ man sich gern vordergründig von den Studenten die Show stehlen.
Als am Mittwoch das State Department und der Sultan von Yogyakarta (der wichtigste der traditionellen Fürsten) Suhartos Rücktritt verlangte, haben sich anscheinend das Militär und der Muslim-Führer Amien Rais auf eine Strategie der Abwiegelung geeinigt: Vize-Präsident Habibie, der im März als Nachfolger für alle Fälle ausgewählt wurde, sollte seine Chance bekommen, bevor es zu spät ist.
Damit hat noch keine Gruppe der regierenden Oligarchie ihre Machtsposition oder wirtschaftliche Interessen verloren. Doch es steht fest, daß der Suharto- Clan einige Federn wird lassen müssen.
Ob Habibie nur ein kurzes Übergangsregime führen wird oder sich wie sein Freund Kohl zum Aussitzer steigern kann, ist weniger wichtig als die Frage nach der Rückkehr zu demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen. Die gestrige Bemerkung der Sprecherin des neuen Präsidenten, daß ja vor neun Monaten erst Parlamentswahlen stattgefunden haben, läßt wenig von ihm erwarten.
Die Muslime, nach dem diskreditierten und zerstrittenen Suharto-Wahlverein Golkar die größte Fraktion im noch zahnlosen Parlament, werden die Gunst der Stunde nutzen wollen. Ihre Führung, die gerade die ersten unabhängigen Schritte genommen hat, steht jetzt vor der beneidenswerten Wahl: Lassen sie sich wieder von der herrschenden Oligarchie kooptieren oder setzen sie sich an die Spitze der Volksbewegung für ein demokratisches Indonesien? Andrea Goldberg
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