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Nobelpreis für WirtschaftswissenschaftenZwei große Pioniere

Die US-Ökonomen Sims und Sargent haben die Analyse von Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und Inflation modernisiert. Nun teilen sie sich den Wirtschaftsnobelpreis.

Für den Wirtschaftsnobelpreis 2011 nominiert: Christopher A. Sims (links) und Thomas J. Sargent. Bild: dpa

BREMEN taz | Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht in diesem Jahr an Thomas J. Sargent von der New Yorker Universität sowie Christopher A. Sims, der an der Princeton Universität lehrt. Damit erhöht sich die Zahl der Wirtschaftsnobelpreisträger aus den USA auf 48.

Die Leistung der neuen Preisträger steht außer Zweifel. Sargent und Sims haben die gesamtwirtschaftliche Analyse über Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und Inflation grundlegend modernisiert. Unabhängig voneinander haben sie das Verhältnis der Wirtschaftspolitik im Zusammenspiel mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung untersucht.

Erhöht die Notenbank etwa ihren Leitzins, wird üblicherweise erwartet, dass die Inflation sinkt. Doch Sims und Sargent bezweifeln das. Steuersenkungen oder Konjunkturprogramme, die die Wirtschaft ankurbeln sollen, verfehlen ihr Ziel, wenn die Wirtschaftssubjekte den Erwartungen nicht folgen.

Es ist das Verdienst der beiden Nobelpreisträger, dass sie auf die Frage, warum möglicherweise eine gut gemeinte expansive Finanzpolitik die gesamtwirtschaftliche Entwicklung am Ende belastet, eine Antwort gefunden haben. Dadurch wurde eine neue Makroökonomik geschaffen. Denn während in den alten Theorien die Zukunft als Fortschreibung der Gegenwart wegdefiniert worden ist, rückt die neue Makroökonomie Wirtschaftssubjekte in den Mittelpunkt, die die künftige Entwicklung möglichst korrekt vorherzusagen versuchen.

Dies hat massive Folgen für die Wirtschaftspolitik. Wird etwa ein Konjunkturprogramm aufgelegt, hängt dessen Wirkung von den rationalen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte ab. So kann der gewollte Wachstumsschub durch eine erwartete Inflation mit einer nachfolgenden restriktiven Geldpolitik zunichte gemacht werden.

Zugleich haben die beiden Nobelpreisträger auch neue Methoden entwickelt. So konnte Christopher Sims mit der "Vector Auto Regression" nachweisen, dass eine restriktive Geldpolitik erst in zwei Jahren die Inflation reduziert, während wirtschaftliche Wachstumsverluste sehr schnell eintreten.

Die beiden Nobelpreisträger behaupten, dass eine Politik an den Wirtschaftsakteuren scheitern kann. Insoweit wird sie auch als Warnung gegenüber einer Antikrisenpolitik geehrt.

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9 Kommentare

 / 
  • RK
    Rolf Kuntz

    Die Leistung der neuen Preisträger steht außer Zweifel.

    Aber ich habe da meine zweifel und zitiere aus der Presse:

     

    ...Die beiden Forscher arbeiteten zwar getrennt, ihre Arbeiten fänden aber weltweit in Politik und Wissenschaft Anwendung.

    Sargent nutzte volkswirtschaftliche Maßgrößen, um dauerhafte Änderungen in der Wirtschaftspolitik und die gegenseitigen Auswirkungen von Erwartungen der Wirtschaft an die Politik und deren Entscheidungen zu untersuchen. Sims beschäftigte sich mit der Auswirkung sogenannter Schocks auf die wirtschaftliche Entwicklung.

    Die Arbeiten der beiden US-Forscher könnten bei der Suche nach Antworten auf die derzeitigen Krisen helfen, sagte John Hassler vom Nobelpreis-Komitee. "Wir wissen nicht wirklich, was während der Finanzkrise passiert ist, noch was wir tun können, um so etwas in Zukunft zu verhindern. Wir sind aber ziemlich sicher, dass die Methoden, die sie entwickelt haben, dabei helfen können, Antworten auf derlei Fragen zu finden."

    Sims, der von der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften telefonisch kontaktiert wurde, sagte allerdings, die entwickelten Methoden seien zu komplex, um einfache Antworten zu geben: "Wenn ich eine einfache Antwort hätte, würde ich sie in der Welt verkünden."

     

     

    Solchen Nachrichten möchte ich folgende Information entgegen stellen und da war ich persönlich dabei:

     

    In den ersten Apriltagen des Jahres 2008 – also fast ein halbes Jahr vor Lehman und die Krise wurde spürbar – gab es im Ulmer Stadthaus eine Veranstaltung bei der auch Norbert Walter, damals noch Chefökonom der Deutschen Bank, mit auf dem Podium war.

    Einleitend outete sich Walter als überzeugter aktivier Christ und sagte dann:

    Es ist die best vorhergesagte Krise aller Zeiten!

    Dann beantwortete Er die Frage bevor sie gestellt wurde und sagte mit Blick auf all das Verbriefungsgesockse:

    Auch die Deutsche Bank ist mit daran beteilig, wenn auch sehr moderat.

    Warum? Weil in jedem Hype steckt eine Chance und hätten wir diesen nicht genutzt, unsere Anleger hätten uns das nicht verziehen.

     

    Nun, wenn das Nobelkomitee nichts wirklich nichts weiß und Norbert Walter 3,5 Jahre vorher vor 300 versammelten Leuten des Normalvolkes schon von der bestvorhergesagten Krise aller Zeiten spricht, dann wirft das einen Blick auf den Elfenbeinturm der Wissenschaft der nur mit dem Satz zu umschreiben ist: “Herr wirf Hirn runter, denn sie wissen nicht was sie tun!”

    Aber man kann sich auch nicht ganz des Gedankens entziehen, daß das noble Komitee aus strategischen Erwägungen die Ingnoranz dieses Wissens durch diese Ehrung als wirtschaftswissenschaftliche Maxime festschreiben möchte. Es ist nicht mehr oder weniger als ein Alibi für die Finanzindustrie nach dem Motto “Ihr konntet mangels besseren Wissens gar nicht anders handeln”.

  • N
    Nordwind

    Ich habe keine Wirtschafts-Ausbildung und hasse sie "von Herzen." Alfred Nobel

     

    Es gibt keinen Wirtshaftsnobelpreis sondern nur einen Preis der schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel. Teile der Familie kämpfen noch heute gegen diese dreiste Okkupation ihres Namens.

     

    Dieser Preis ist nur ein PR-Gag. Angestossen von Leuten die ihr Fach zwanghaft öffentlich aufwerten, ihren Narzissmus befriedigen und natürlich ihre Ideologie retten müssen.

     

    Somit kann es auch nicht verwundern, dass auch in diesem Jahr dieses Preischen an Leute vergeben wurde, deren Grundannahme die Existenz des immer rationalen homo oeconomicus mit seinem umwerfend vollständigen Wissen über die Zukunft ist.

     

    Dabei wurde dieser eindimensionale Trottel in keiner ernst zu nehmenden Wissenschaft gesichtet.

     

    Was hat nur den Hickel geritten?

  • N
    noevil

    Vielleicht machen die Thesen der beiden Nobelpreisträger den Menschen endlich klar, dass die Wirtschaft u.a. für Beschäftigungszahlen verantwortlich ist.

     

    Dass die Wirtschaft damit auch das Wählerverhalten steuern kann.

     

    Wer der Politik die Schuld für den Verlust seines Arbeitsplatzes gibt, operiert an Randzonen und ist direkter Erfüllungsgehilfe einer Wirtschaft, die mit diesen einfachen Folgerungen der Wähler die Regierung herbeiführen kann, die ihr genehm ist und sich von ihr - so wie offensichtlich derzeit - am Nasenring durch die Manege führen lässt. Ganz dezidiert ist solches zurzeit in den USA zu beobachten.

     

    Wie einfach ist es doch auch bei uns seit Jahren für die Wirtschaft, einerseits freie Entscheidungen treffen zu können und geringstmöglichen gesetzlichen Vorgaben folgen zu müssen, jedoch andererseits einer schwachen willfährigen Politik für alle unpopulären Handlungen den "schwarzen Peter" zuschieben zu können.

     

    Manchmal kommt mir die Wirtschaft vor wie ein Kind, das sich nicht an die Hand nehmen lassen will und wenn es auf die Nase fällt, die Schuld der Mutter zuschiebt, weil sie es aus seinem Laufstall herausgelassen hat. Genau wie ein Kind hat sich die Wirtschaft seit Jahren erfolgreich gegen Rahmenbedingungen gewehrt, die nicht nur für sich selbst sondern ihr auch für die ihr Schutzbefohlenen Arbeitskräfte mehr Verantwortung vorschreiben.

     

    Vielleicht verschwinden die Thesen aber auch in Schubladen, wo sie verschimmeln, statt von verantwortungsvollen Politikern gelesen, ernst genommen und verwirklicht zu werden. Tatsächlich wäre ich ja schon glücklich, wenn nur unsere Politiker sie nicht nur lesen sondern auch umsetzen würden und sich dabei von hilfreichen Fachleuten (wie z.B. den Verfasser) unter die Arme greifen lassen würden. Manchen unter ihnen ist das Räderwerk unserer Volkswirtschaft weniger klar, als ihnen die Wähler unterstellen.(Darüber wundere ich mich seit Jahren immer wieder.) Man muss sich ja nicht aus den Reihen derer beraten lassen, deren nicht unabhängige Beratung Neutralität schon von vornherein vermissen lässt.

     

    Manchmal frage ich mich schon, wo ich überhaupt noch diesen Optimismus hernehme, der mich immer wieder hoffen lässt. Ah ja: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt........

  • N
    noevil

    Vielleicht machen die Thesen der beiden Nobelpreisträger den Menschen endlich klar, dass die Wirtschaft u.a. für Beschäftigungszahlen verantwortlich ist.

     

    Dass die Wirtschaft damit auch das Wählerverhalten steuern kann.

     

    Wer der Politik die Schuld für den Verlust seines Arbeitsplatzes gibt, operiert an Randzonen und ist direkter Erfüllungsgehilfe einer Wirtschaft, die mit diesen einfachen Folgerungen der Wähler die Regierung herbeiführen kann, die ihr genehm ist und sich von ihr - so wie offensichtlich derzeit - am Nasenring durch die Manege führen lässt. Ganz dezidiert ist solches zurzeit in den USA zu beobachten.

     

    Wie einfach ist es doch auch bei uns seit Jahren für die Wirtschaft, einerseits freie Entscheidungen treffen zu können und geringstmöglichen gesetzlichen Vorgaben folgen zu müssen, jedoch andererseits einer schwachen willfährigen Politik für alle unpopulären Handlungen den "schwarzen Peter" zuschieben zu können.

     

    Manchmal kommt mir die Wirtschaft vor wie ein Kind, das sich nicht an die Hand nehmen lassen will und wenn es auf die Nase fällt, die Schuld der Mutter zuschiebt, weil sie es aus seinem Laufstall herausgelassen hat. Genau wie ein Kind hat sich die Wirtschaft seit Jahren erfolgreich gegen Rahmenbedingungen gewehrt, die nicht nur für sich selbst sondern ihr auch für die ihr Schutzbefohlenen Arbeitskräfte mehr Verantwortung vorschreiben.

     

    Vielleicht verschwinden die Thesen aber auch in Schubladen, wo sie verschimmeln, statt von verantwortungsvollen Politikern gelesen, ernst genommen und verwirklicht zu werden. Tatsächlich wäre ich ja schon glücklich, wenn nur unsere Politiker sie nicht nur lesen sondern auch umsetzen würden und sich dabei von hilfreichen Fachleuten (wie z.B. den Verfasser) unter die Arme greifen lassen würden. Manchen unter ihnen ist das Räderwerk unserer Volkswirtschaft weniger klar, als ihnen die Wähler unterstellen.(Darüber wundere ich mich seit Jahren immer wieder.) Man muss sich ja nicht aus den Reihen derer beraten lassen, deren nicht unabhängige Beratung Neutralität schon von vornherein vermissen lässt.

     

    Manchmal frage ich mich schon, wo ich überhaupt noch diesen Optimismus hernehme, der mich immer wieder hoffen lässt. Ah ja: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt........

  • M
    menschenfreund

    Ich glaube, Sie haben wie so viele die Satire – oder ist es Sarkasmus - dieser Verleihung nicht verstanden: Preiswürdig bis genial sind die Methoden, mit denen Einige zum Schaden Vieler bereichert werden.

    Außerdem hat Nobel nie einen Preis für "Wirtschaft" gestiftet.

  • ML
    Max Lewien

    Der Herr Alternative-Ökonomie-Professor darf die USA-Professoren loben. Sie haben immerhin herausgefunden, daß im Krisenkapitalismus manches berechenbar, manches unberechenbar ist, direkt oder erst nach einer gewissen Zei; daß die Erwartungen und Aktionen von Akteuren in der Krise gute oder schlechte Auswirkungen auf Inflation oder Deflation haben. Toll!

    Da kann man endlich mal mit Gelerntem prunken.Und suggeriert, daß kapitalistische Praxis endlich Vern- unft annehmen könnte!

     

    Jedoch: Diese Nobilitierten kommen bekanntlich aus den USA, die ihre Krise bis heute nicht in den Griff bekommen. Ob die Herren Sargent und Sims mit ihren angeblich so wertvollen Erkenntnissen dem abhelfen können, ist eher zweifelhaft.

     

    Es gäbe da schon eine wirklich alternative Kritik der Politischen Ökonomie: Wie forderte der ökonomisch auch nicht dumme schweizer UBS-Manager George Magnus kürzlich in Bloomberg: "Give Karl Marx a Chance.." den Krisenkapitalismus zu retten. Hickel gibt Marx diese Chance nicht.

     

    Er suggeriert dem Kapitalismus noch vulgärökonomische "Theoriefähigkeit" a la Sargent und Sims! Gewiß, auch Magnus hofft nur auf keynesianischartige Reparaturen für die besagte Rettung. Hickel meint, dies auch ohne Rückgriff auf Marx zu schaffen.

     

    Vielleicht sollte er sich mal mit seinem ND-Ko-Kommentator Robert Kurz über die Vernunft der Forderung von Magnus unterhalten. Kurz,kritisch-marxistisch inspiriert, glaubt schon lange nicht mehr an die Rettbarkeit des nach 1980-iger-Krisenkapitalismus!

  • G
    green

    Vielen Dank für den Kommentar,

     

    als sonst eher Hickel kritischer Ökonom fand ich die heutige Einschätzung der beiden Preisträger differenzierter als die FAZ Kommentierung.

  • B
    BöhserOnkel

    so und jetzt heben alle mal die Hand die kaum was verstanden haben.

     

    *Hand heb*

     

    Eine F.A.Q zur Wirtschaft wäre nicht schlecht...

  • WF
    Willi Fiebranz

    Oh Mann, ich dachte wenigstens die TAZ ist nicht dumm genug, um die hervorangende Idee der Wirtschafts- und Bankenlobby zu reproduzieren, den Eindruck zu erwecken, Alfred Nobel hielte Ökonomie so sinnvoll für die Menschheitentwiclung zum Besseren wie die realen auszuzeichnenden Gebiete.

     

    Nochmal für alle Halbgebildeten: den Wirtschaftsnobelpreis gibt es als solches nicht.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftsnobelpreis

     

    Mit der gleichen Methode wie es hier geschieht kann ich auch einen Pornografie-Nobelpreis ins kollektive Bewusstsein prägen.

     

    Vielen Dank, liebe TAZ