piwik no script img

Nils Schuhmacher Hamburger SoundtrackDer strenge Geruch der Großmannssucht

Viele Münchner*innen stehen noch in den Urinschwaden des letzten Oktoberfests und fragen sich: Muss das denn alles sein? Die Antwort lautet: Natürlich muss das so sein. Immerhin hat die Stadt es damit in der Liste der freundlichsten deutschen Städte auf den fünften Platz gebracht. Da kann Hamburg mit seinem achten Platz nicht mithalten.

Aber: Auch wenn man damit immer noch 2.050 Städte hinter sich hat, erschließt sich diese Platzierung natürlich nicht. Nicht nur, weil der Schlagermove, die sündige Meile, die szenige Schanze, das schicke Eppendorf oder das urige Farmsen nun wirklich eine Reise wert sind, sondern auch, weil hier der strenge Geruch der Großmannssucht notorisch als edles Parfüm gehandelt wird.

Wer das aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen nicht mag und weg will, macht einen Kultururlaub in Baden-Baden (freundlichste Stadt) oder Interrail in Belgien (lustiges Land). Wer das nicht mag und hier bleibt, kann alternativ seinen ganz eigenen „Sprung über die Elbe“ wagen und beispielsweise zum HipHop-Festival „Spektrum“ (4. 8., Wilhelmsburg, Festivalgelände) desertieren. Und dann gleich da bleiben und auf das im weitesten Sinne von „Indie“-Bands geprägte Festival „MS Dockville“ warten (17.–19. 8., selber Ort).

Aber um ehrlich zu sein: Die Empfehlung lautet, räumlich und auch sonst größtmöglichen Abstand herzustellen und einfach zum „Wutzrock“-Festival (10.–12. 8., Eichbaumsee) zu fahren. Das kostenlose Festival geht in sein 40. Jahr, versteht sich immer noch ausdrücklich als antifaschistisch, antirassistisch und antisexistisch und bietet neben diversen Bands auch ein umfassendes Rahmenprogramm, u. a. aus Kinderspace, Kino, Slam und politischen Initiativen. Derweil können die freundlichen Städte weiterhin in ihren Schwaden stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen