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Nils Schuhmacher Hamburger SoundtrackValides kulturelles Verweissystem: Das Band-Shirt ist nicht aus der Mode

Dass Band-Shirts aus der Mode gekommen sind, lässt sich nicht sagen. Es ist vielmehr so, dass sie in den finanziellen Kalkulationen von Musikern eine zentrale Rolle spielen. Umso mehr, seitdem deren Musik vom Schmiermittel zum Surplus des Geschäfts avanciert ist.

Gewiss, die Möglichkeiten sind vielfältig, aber die Flut aus Aschenbechern, Kissen, Handtüchern, Kondomen und so weiter kommt gegen das ­T-Shirt nicht an, denn es kombiniert auf optimalste Weise Gebrauchswert und kulturelle Außenwirkung. (Für Kondome übrigens zuständig: KISS, Manowar, Slayer, Motörhead, Daft Punk, wobei nur Letztgenannte dieses Produkt gezielt zu Promotionzwecken einer ihrer Songs ins Firmenprogramm nahmen).

Die Fans sind froh und versorgt, währenddessen sich die Welt der Bands, grob gesagt, in drei Gruppen teilt: native Band-Shirt-Bands und -Künstler/innen, selektive Nutzer/innen, prinzipiell Band-Shirt-freie Bands und -Künstler/innen. Wie bei den Kondomen ist erste Gruppe vorrangig im Metal- und Hardrock-Bereich verortet (sowie im Punk).

Das Band-Shirt auf dem Band-Foto schafft ein valides kulturelles Verweissystem, bestehend aus Distinktion, Nähe und dem als „gut“ befundenen Geschmack, was den Namen der eigenen Band auf dem Shirt einschließen kann. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass außerhalb von Punk nur ein kleiner Teil der Mitglieder noch Band-Shirts trägt, und dies vermutlich aus paritätischen Gründen (Bonfire, 19. 10., 20 Uhr, Logo).

Insofern ergeben sich schwimmende Grenzen zur zweiten Gruppe. Einen Fall situativer und selektiver Nutzung finden wir bei den Dead Kennedys (23. 10., 19 Uhr, Markthalle), jener legendären Band, die 2001 aus verschiedenen Rechtsstreits mit ihrem ehemaligen Sänger Jello Biafra als Sieger hervorging und seither als eine Art Punk-Untoter auftrumpft. Die Shirts waren politischen Botschaften vorbehalten, Jello Biafra war live öfter oben ohne zu sehen, auch ein Hemd war mal dabei.

Nur im Hemd, im Karohemd, hat die Welt bislang Mike Watt (19. 10., 20 Uhr Hafenklang) gesehen und so wird es wohl immer bleiben. Der Mann schaut auf eine schöne Biografie als Bassist von grenzgängerischen Hardcorebands wie Firehose und Saccarine Trist zurück und sein Band-Shirt kriegst du nicht beim Konzert, sondern bei C&A.

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