Niedriglohn-Sektor wächst: Immer mehr verdienen immer weniger
Fast ein Viertel aller Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor. Nach einer aktuellen Studie nähert sich die Bundesrepublik damit dem US-Niveau.

FRANKFURT/M. dpa/taz Die Zahl der Geringverdiener in Deutschland hat stark zugenommen. Innerhalb eines Jahrzehnts sei der Anteil der Menschen die in Deutschland für ein sehr niedriges Einkommen arbeiten von 15 auf 22 Prozent gestiegen. Das berichtet die Frankfurter Rundschau am Freitag unter Berufung auf eine Studie, die am Freitag in Amsterdam vorgestellt werden sollte. Demnach arbeiten heute 6,5 Millionen Beschäftigte in Deutschland für wenig Geld.
"Die Befunde für die Bundesrepublik sind Besorgnis erregend", sagte einer der beiden Leiter der Deutschen Studie, der Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ), Gerhard Bosch, der Zeitung. Besonders unerfreulich seien als deutsche Besonderheit extrem niedrige Stundenlöhne von unter fünf Euro, mit denen sich zwei Millionen Menschen begnügen müssten. Zudem hätten Geringverdiener praktisch keine Aufstiegschancen. Als Gründe für die Zunahme der Niedriglöhne nannten die Wissenschaftler neben der Wachstumsschwäche nach der Wiedervereinigung den schwindenden Einfluss der Tarifparteien und die Zunahme von Minijobs.
Laut der Studie sind Ungelernte unter den Geringverdienern in der Minderheit. Drei Viertel der Menschen haben demnach eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss. Die meisten der Niedriglöhner arbeiten im Gastgewerbe. 63 Prozent verdienen hier weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Stundenlohns.
Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt in fünf europäischen Staaten den Niedriglohn-Sektor. In Deutschland arbeiteten demnach relativ gesehen etwas mehr Menschen im Niedriglohnbereich als in Großbritannien. Gleichzeitig lag die Bundesrepublik nur knapp unter dem Niveau in den USA. In den USA ist jeder vierte Arbeitnehmer ein Geringverdiener.
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