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Niedrige ArbeitskostenÖkonomen kritisieren deutsche Löhne

Im europäischen Vergleich sind die Arbeitskosten in Deutschland geringer gestiegen. Das ist gut für die Konkurrenzfähigkeit, aber schlecht für die Binnennachfrage.

Schraubt preiswerter als viele seiner europäischen Kollegen: Autobauer in Eisenach. Bild: AP

BERLIN taz | Die deutschen Arbeitskosten sind 2008 um 2,5 Prozent gestiegen - und damit weniger schnell als im europäischen Durchschnitt, wo die Steigerung 3,5 Prozent betrug. Dadurch stärkt Deutschland seine Exportwirtschaft, bleibt aber zugleich in hohem Maße von der Entwicklung der Weltwirtschaft abhängig. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für MaKroökonomie und Konjukturforschung (IMK) in der Hans Böckler Stiftung, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach gab ein privater Arbeitgeber im Jahr 2008 in Deutschland im Schnitt 28,50 Euro für eine geleistete Arbeitsstunde aus. Damit liegt Deutschland an achter Stelle in Europa und am unteren Land der Hochlohnländergruppe, die von Dänemark (36 Euro) angeführt wird. Auffallend ist der Unterschied zwischen dem verarbeitenden Gewerbe mit Arbeitskosten von 32,50 Euro, womit Deutschland in der oberen Hälfte des Euroraums liegt, und dem Bereich der privaten Dienstleistungen (26 Euro), wo gerade der Durchschnitt der europäischen Länder erreicht wird.

Die aktuellen Zahlen fügen sich in eine Entwicklung, die seit zehn Jahren anhält. Damals stand Deutschland mit den Arbeitskosten europaweit noch an vierter Stelle. Seither haben Lohnzurückhaltung und ein größer werdender Niedriglohnsektor die deutschen Arbeitskosten jedoch langsamer wachsen lassen als im europäischen Ausland, so die Forscher.

Deutschland stärkt durch diese Entwicklung zwar seine Position auf dem Weltmarkt, bezahlt dafür aber mit einer schwachen Binnennachfrage und einem relativ geringen gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK, wieß darauf hin, dass die Wachstumsgewinne des Exports die Verluste der Binnennachfrage in Deutschland nicht auffangen könnten. Er forderte daher, eine "Grundsatzdebatte" über die Zukunft des deutschen Arbeitsmarktes zu führen. Denn die Lohnzurückhaltung wirke sich nachteilig auf den privaten Konsum aus, so Horn. Die niedrigen Löhne haben sich laut IMK weder zu mehr Beschäftigung geführt, noch hätten sie sich für die Unternehmen ausgezahlt. Schließlich belaste die schwache Binnennachfrage die Gewinne jener Unternehmen, die auf den Inlandsabsatz angewiesen sind. Horn forderte daher einen Anstieg der Löhne.

Noch drastischer fällt die Entwicklung bei den Lohnstückkosten aus, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung setzten. Während sie in Ländern wie den Niederlanden, Spanien oder Polen um 20 bis 35 Prozent gestiegen sind, stagnierten sie in der Bundesrepublik zwischen 1998 und Mitte 2008. Ab dem vierten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 sind die Lohnstückkosten stark gestiegen, was laut dem IMK jedoch auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen sei. "Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Quartalen teilweise von selbst korrigieren", schreiben die Ökonomen.

Gefahr sieht Horn durch diese Entwicklung aber auch über die Landesgrenzen hinweg: "Deutschland drückt die anderen EU-Länder an die Wand." Die niedrigen Arbeitskosten böten den Anreiz, Produktion nach Deutschland auszulagern. Camille Logeay, eine Autorin der Studie, fasst ihre Meinung über die Entwicklung in Deutschland in einem Satz zusammen: "Der Lohnverzicht war für die Katz!"

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6 Kommentare

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  • G
    GWalter

    Die Abgeordneten und die Regierung wissen sowieso das die Preise fast alle doppelt so hoch wie zuvor, aber spielen natürlich dem Bürger seit Jahren die Geschichte von der sogenannten "gefühlten Preiserhöhung" vor!!

     

    Ich finde es wirklich traurig, dass so viele gesellschaftliche Gruppen (Gewerkschaften, Presse, Unternehmer, usw.) an diesem Betrug mitgearbeitet haben und dem Bürger belügen und beschwichtigen!

     

    Ein solcher Staat kann mit Fug und Recht schon nicht mehr als eine wirkliche Demokratie bezeichnet werden.....wer so lügt, der belügt das Volk auch in vielen anderen Dingen!!!!!

     

    Die Löhne, Gehälter und Renten wurden sauber halbiert, aber bei den Preisen hat man lediglich die Währungsbezeichnung ausgetauscht von DM auf Euro!

    Gerade bei Lebensmittel, im gastronomischen Gewerbe und bei Textilien, sowie Gebühren der Gemeinden und Kreise und Dienstleistungen und allen wichtigen Dingen des Lebens ist keinerlei Umrechnung erfolgt und die Bürger müssen das Doppelte zahlen wie zur DM-Zeit, auch Autos!

     

    Ein Rentner oder Sonstiger, der noch 1800 DM Einkommen hatte muss nun mit ca. 900 Euro dahinvegetieren und mit 1800 DM konnte man noch etwas anfangen!!

     

    Zum Schluß muss man noch anmerken, dass ALLE POLITIKER immer mehr an Glaubwürdigkeit verloren haben, kommt nicht von ungefähr!

  • G
    GWalter

    Natürlich haben die Bürger heute weniger Geld in der Tasche, auch wegen der Kurzarbeit, aber schon seit 2001 wurde die Kaufkraft der Bürger erheblich geschmälert

     

    Die Einkommen wurden halbiert, aber bei den Preisen wurde nur das Währungszeichen von DM auf Euro ausgetauscht:

     

    Hotelübernachtung 60 Euro zuvor 60 DM,

    Essen im Restaurant 12 Euro zuvor 12 DM,

    2 Stück Wiener 2,50 Euro zuvor 2,50 DM

    1 Glas Bier 2,50 Euro zuvor 2,50 DM

    1 Kasten Bier 15,00 Euro zuvor 15,00 DM

    1 Dose Fisch 0,90 Euro zuvor 0,90 DM

    1 kg Brot 2,50 Euro zuvor 2,50 DM

    1 Bratwurst 2,20 Euro zuvor 2,20 DM

    1 Herrenjacke 100,00 Euro zuvor 100,00 DM

    Müllgebühren 45 Euro zuvor 40 DM

    Friseur Herren 15 Euro zuvor 15 DM, Damen 45 Euro zuvor 45 DM

    und so kann man endlos weitermachen und dies wissen Sie auch ganz genau, denn jeder kann dies bei seinem Einkauf selbst sehen!!!!!

     

    Auch mit der seitherigen normalen Inflation lassen sich solche Preise nicht begründen, denn dann hätten wir ja bereits 100 Prozent Inflation?.oder!?

    Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Verarmung der Menschen in Deutschland seit dem Euro ungeheuer gestiegen ist und auch die Familien und Rentner aus dem "letzten Loch pfeifen"!

  • KH
    Klaus Hanselmann

    Dadaismus ist doch wohl Ihr Beitrag, lieber "Jo ooo".

    Haben wir in Deutschland etwa Lebenshaltungskosten wie in Bulgarien oder gar Vietnam?

    Es wäre noch viel über volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu schreiben, die Sie erst einmal beachten sollten, aber dazu habe ich weder die Zeit noch reicht hier der Raum, und ob Sie es begreifen würden, oder auch nur wollten, wäre dann immer noch offen.

  • R
    richtigbissig

    Ich habe nicht viel vernünftiges zur derzeitigen Krise und den Folgen gelesen, aber Wirtschaft muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt.

     

    Der Vorschlag für die nächsten zehn Jahre 5-7% Inflation zu akzeptieren, um die Schulden dieser Krise zu bewältigen erscheint mir logisch. Binnennachfrage und Beschäftigung werden entsprechend anziehen und wir kommen aus der Krise, wie wir das schon einmal in den 70er Jahren gemacht haben.

     

    LG

  • I
    iBot

    Deutschland gehört aber halt zur Welt auch dazu und ist für einen Haufen Dienstleister der wichstigste (oder auch einzige) Markt.

  • JO
    jo ooo

    ... soso, die binnennachfrage ist zu gering. welcher ökonomischer dadaismus ist das denn?! letzlich geht es um nachfrage, ja, aber eben auf der ganzen welt! und nicht nur, liebe taz, in deutschland.

    und ob es sich eine lohnzurückhaltung gelohnt hat oder nicht, kann eben auch nicht abschließend geklärt werden; man kann nur froh sein, mit einem blauen auge aus dieser merkwürdigen krise herauszukommen.,,

    tataa