■ Niedersachsens Bierbrauer wollen streiken:: „Das ist ein Spucken ins Gesicht!“
Hannover (taz) – Niedersachsens Biertrinker und Biertrinkerinnen geraten in Panik, zu Recht. Ob die eher bourgeoise Klientel des „Einbecker Brauherrenpils“, kleinbürgerliche „Wolters“-Zecher, die tendenziell proletarisch gesinnten Liebhaber von „Holsten“ („Holsten knallt am dollsten“) oder die links-alternativ angehauchten „LüPi“-Fans (das mit dem Schafbock) – sie alle befällt ob der am späten Mittwoch abend aus der Landesbzirksgeschäftsstelle der Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten (NGG) verbreiteten Hiobsbotschaft das nackte Grausen: Die rund 2.900 Brauereibeschäftigten in Niedersachsen erwägen einen Arbeitskampf. Dabei verstehen sie keinen Spaß. Einen unbefristeten obendrein, der seine Wirkung erst dann so richtig entfaltet, wenn die in Kneipenkellern und Supermärkten gebunkerten Biervorräte aufgebraucht und leergetrunken sind.
In einer Urabstimmung hatten die niedersächsischen Brauereiarbeiter zuvor mit großer Mehrheit für einen Streik gestimmt. Nach dem vom Landesbezirksvorsitzenden Gunold Fischer bekanntgegebenen Ergebnis votierten 93,41 Prozent der zur Abstimmung aufgerufenen KollegInnen für einen Ausstand. Noch in der Nacht beantragte die Tarifkommission beim Hauptvorstand der NGG den unbefristeten Streik. Von einem möglichen Arbeitskampf wären neben den genannten – GerstensaftexpertInnen, die jetzt einwerfen, daß „Holsten“ gar nicht in Niedersachsen, sondern in Hamburg ansässig ist, sei mitgeteilt, daß es sich um die Lüneburger Filiale der AG handelt – fünf weitere Brauereien betroffen: Gilde und Wülfel in Hannover, Härke in Peine, Feldschlößchen in Braunschweig und Schaumburg in Stadthagen.
Die Tarifverhandlungen zwischen dem Verband Niedersächsischer Brauereien und der NGG brachten kein Ergebnis. Die Gewerkschaft hatte, recht moderat, einen Ausgleich für die steigenden Lebenshaltungskosten gefordert. Die Arbeitgeber taten so, als wollten sie darauf eingehen und boten sage und schreibe 30 Mark mehr ab 1. Januar an. Das wäre mal gerade nach NGG-Berechnungen ein jährlicher Lohnzuwachs von 0,62 Prozent. „Das war kein Angebot, das war Spucken ins Gesicht“, hatte ein Tarifkommissionsmitglied diesen Vorschlag recht zutreffend kommentiert.
Die Zeichen stehen also auf Entzug. Und doch gibt es Hoffnung! Wohl vor allem, weil sie selbst von den versiegenden Zapfhähnen betroffen wären, schlugen die Arbeitgeber gestern neue Verhandlungen vor. Die NGG wolle sich diesem Gespräch nicht verschließen, bleibt aber störrisch: „Wir bereiten uns weiter auf einen Arbeitskampf vor.“ Raimar Paul
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