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Archiv-Artikel

Niederrhein soll schuften

Laut Siemens-Chef Pierer soll in Bocholt und Kamp-Lintford mehr gearbeitet werden – ohne Lohnausgleich

NIEDERRHEIN taz ■ Die Belegschaft der Bocholter und Kamp-Lintforter Siemens-Werke kommt nicht zur Ruhe: Jetzt sorgt der Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer für Wirbel. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Pierer gestern, eine generelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf vierzig Stunden komme für die Mitarbeiter in Deutschland nicht in Frage. Explizit nahm Pierer aber die beiden besagten Standorte aus: Da wo die Lage kritisch sei, müsse für das gleiche Geld länger gearbeitet werden: „Ich sage klipp und klar, dass wir für das gleiche Geld mehr arbeiten müssen“, so Pierer in der FAZ.

In der Belegeschaftsvertretung von Siemens in Kamp-Lintfort reagierte man mit Zurückhaltung: Die Aussagen Pierers seien noch zu neu – zunächst müssten sich Betriebsräte und IG Metall zusammensetzen und darüber diskutieren, meinte Heike Deppner vom Kamp-Lintforter Betriebsrat. Trotzdem glaubt die Gewerkschafterin, dass man auf dem bisherigen Weg weitergehen und weiter verhandeln werde. Pierer möchte anscheinend, „dass es für Bocholt und Kamp-Lintfort eine Änderung des Tarifvertrages geben soll.“

Auch die IG Metall bemüht sich noch, die überraschenden Äußerungen des Konzernchefs richtig einzuordnen: „Arbeitszeit nach oben bringen und damit Menschen arbeitslos machen – das wird nicht gehen“, mahnt der Erste Bevollmächtigter der IG Metall Niederrhein, Ulrich Marschner. Aber es gebe auch Hoffnung. Pierer spüre zur Zeit offenbar eine Menge Druck, deshalb fordere er nicht für alle die 40-Stunden-Woche und signalisiere auch Übvereinstimmung mit IG-Metall Vize Lothar Huber: „Das heißt aber, dass da noch nicht die Messen gelesen sind“. Immerhin scheine es so, als ob sich Pierer etwas bewege: “Vielleicht kommen wir so doch noch miteinander auf eine Augenhöhe und nicht zu Gesprächen mit vorgehaltener Pistole,“ so Marschner.

Am Niederrhein sind 2.000 Arbeitsplätze bedroht. Rund 200 Mitarbeiter eines Unternehmenszweigs in Bocholt haben bereits vereinbart, Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zu leisten.ALEXANDER FLORIÉ