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Niederlage für DatenschutzGericht erlaubt Mega-Datenbank

In einer Datenbank sind fast alle Inder per Iris-Scan erfasst. Diese weltgrößte biometrische Datenbank hat ein Gericht nun für verfassungskonform erklärt.

Eine Inderin beim Iris-Scan zur Erlangung der Aadhaar-Card, die immer verpflichtender wird.. Foto: Foto: Mansi Thapliyal/Reuters

DELHI afp/epd | Indiens Oberster Gerichtshof hat am Mittwoch die Verfassungsmäßigkeit der nationalen biometrischen Datenbank bestätigt. Die Richter urteilten, dass das 2009 begonnene sogenannte Aadhaar-Projekt nicht gegen das in der Verfassung geschützte Recht der Bürger auf Privatsphäre verstoße.

Die Richter machten aber Auflagen zur Nutzung der Daten durch private Firmen. So wurden jetzt Telekom-Unternehmen, Banken und Schulen angewiesen, die Vorlage des Aadhaar-Ausweises nicht verpflichtend zu machen.

Das Gericht urteilte, es würden für das Projekt nur wenige Daten von den Bürgern gesammelt. Hingegen sei der Nutzen der Datenbank gerade für die Armen und Bedürftigen enorm.

Aadhaar, Hindi für Fundament, ist die größte biometrische Datensammlung der Welt. Sie war ursprünglich geplant worden, um das Verteilsystem für staatliche Lebensmittelhilfen gerechter und transparenter zu gestalten und um dessen Missbrauch zu verhindern. Seit 2016 ist die Teilnahme an Aadhaar, die zunächst freiwillig war, verpflichtend.

Iris-Scan von 99 Prozent der Erwachsenen

Heute sind schätzungsweise 99 Prozent der Inder über 18 Jahre in der Datenbank erfasst. Für die Registrierung werden die Fingerabdrücke und der Iris-Scan der Person aufgenommen.

Der biometrische Personalausweis ist inzwischen Pflicht, um staatliche Leistungen zu erhalten. Doch die Einführung hat zu Pannen und sogar Todesfällen geführt. Zahlreiche Menschen sollen verhungert sein, weil sie entweder keinen gültigen Ausweis vorlegen konnten oder die biometrische Erkennung nicht funktionierte.

Die indischen Behörden haben bereits für mehr als eine Milliarde seiner 1,3 Milliarden Einwohner einen Ausweis auf der Basis einer einmaligen Aadhaar-Nummer ausgestellt.

Der biometrische Ausweis muss bei zahlreichen Gelegenheiten vorgelegt werden: Die Spanne reicht von subventionierten Speiseölzuteilungen und Universitäts-Stipendien über Schulspeisungen, Steuererklärungen und staatlichen Renten bis hin zu staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen. Kürzlich verlangten sogar Bars in der Stadt Hyderabad die Vorlage des Aadhaar-Ausweises von ihren Gästen.

Verkauf von Daten

Datenschützer haben immer wieder die mangelnde Transparenz und Sicherheit des Projektes kritisiert. Daten sind nach ihren Angaben für so geringe Beträge wie 500 Rupien, umgerechnet sechs Euro, im Internet zu kaufen.

Journalisten der Zeitung The Tribune erhielten von einem anonymen Verkäufer über Whatsapp und einen digitalen Bezahlservice Zugang zum Aadhaar-System.

Die Regierung bestreitet jedoch vehement, dass es Datenlecks gibt. Dennoch musste Anfang des Jahres das indische Technologieministerium eingestehen, dass mehr als 200 Internetseiten der Regierung versehentlich private Daten von Bürgern veröffentlicht hätten.

Treibende Kraft hinter Aadhaar war der Gründer des IT-Konzerns Infosys, Nandan Nilekani. Er wurde zum Beauftragten der Regierung für die Konzipierung und Implementierung des Aadhaar-Projektes.

Die seit 2014 amtierende Regierung von Premierminister Narendra Modi baute das Programm massiv aus und machte es für immer mehr Leistungen verpflichtend. Manche Kritiker sprechen seitdem von einem Überwachungsstaat.

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