: Nichts angeboten
Regisseurin Anja Wedig zeigt zusammen mit dem Jungen Theater Caryl Curchills „In weiter Ferne“ im Himmelssaal
In der Unendlichkeit stehen Umzugskisten. Verpackt darin ist – nichts. Hier kommt niemand an, hier will niemand weg, es ist schließlich ein fiktional entrückter Theaterraum im real entrückten Atlantis-Haus. .
Ludwig Roselius wollte mit dem Atlantis-Haus Ende der 1920er Jahre „die Geschichte der germanischen Menschheit“ darstellen. Archtektonische und ikonographiesche Krone des Baus ist der Himmelssaal. Regisseurin Anja Wedig war begeistert: Theater unter Strichkreuz, Lebensbaum und stilisierter Sonne, über den Dächern der Böttcherstraße – da lässt sich schon mal was über das Menschsein schlechthin sagen. Ein Stück musste her, entrückt wie Roselius völkisch inspirierter Expressionismus und sinnfällig wie Umzugskartons in der Ewigkeit. Wedig entschied sich für Caryl Churchills ziemlich neuen und ziemlich schwer greifbaren Theatertext „In weiter Ferne“: Ein Stationendrama voller subtiler Anspielungen und Verweise.
„In weiter Ferne“ beginnt als Familiengeschichte: Joan (Anja Margoni) ist als Kind zu Besuch bei ihrer Tante (Marion Amschwand) und sieht, wie ihr Onkel fremde Menschen blutig schlägt. Sie löchert ihre Tante und bekommt keine Antwort. Schnitt, Station zwei: Joan ist ein paar Jahre älter, sie ist Hut-Designerin. Ihr Job: Hüte entwerfen für Menschen, die zum Tode verurteilt sind und diese Hüte auf dem Weg zur Exekution tragen. Joan und ihr Kollege Todd (Hendrik Pape) diskutieren ästhetische Fragen, der Verwendungszweck der Hüte ist ihnen egal. Schnitt, Station drei: Es herrscht Krieg. Jeder gegen jeden, auch Pflanzen und Tiere bekämpfen sich. Joans Tante und ihr Mann diskutieren Kriegs-Strategien.
Caryl Churchills Stück ist eine Parabel ohne Wahrheitsanspruch mit geworfene Figuren, die sich in rein sinnbildlichen Situationen tummeln. Schwer genug, sich da einzuklinken. Aber Regisseurin Wedig ist das Stück allein nicht genug: Regieeinfälle müssen her. Leute mit langen Bärten, Tanzeinlagen, ein Ballustradensprung, bedeutungsschwangere Gefühlsausbrüche aus dem Nichts – eine wilde Zusatz-Sinnproduktion rattert vor sich hin und führt dazu, dass der Abend für Zuschauer, die den Text nicht kennen, schlicht keinen Sinn mehr macht. „In weiter Ferne“ ist Dechiffriertheater, das nichts anbietet, es fordert nur: Am Anfang Geduld, dann Frustresistenz. Und zuletzt Durchhaltevermögen.
Klaus Irler
nächste Vorstellungen: 7., 8. und 9. März, jeweils 20.30 Uhr