KOMMENTAR: Nicht zuständig
■ Wenn das Elend vor der Haustür liegt vgl. S.22
Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner — alle haben diese Lektion gelernt: Die modernen High-Tech-Arbeiter, die jeden Morgen ins BITZ strömen, StudentInnen auf dem Weg zu Seminar und Mensa, ChristInnen der Horner Gemeinde. Vor ihren Augen leben zwei Menschen seit drei Monaten in einem verrußten Wohnwagen, ohne Wasser und Strom. „Einfach unwürdig“, denkt jede und geht weiter.
Er ist vorbestraft und arbeitslos, sie behindert. Warum mußte er auch anfangen zu trinken, als seine Mutter viel zu früh an Krebs starb? Weshalb gefiel es ihr nicht in dem Heim für Behinderte, wo sie immerhin versorgt war und man ihr sagte, was zu tun und zu lassen sei? Jeder ist seines Glückes Schmied.
Vor allem: Wen kann man für ihr Elend verantwortlich machen? Das Sozialamt ist nicht zuständig, wenn Menschen etwas mehr als den Mindestsatz haben. Ebensowenig die christliche Gemeinde, die sich solche Sozialfälle auch lieber vom Grundstück hält. Und hätten wir vielleicht Lust, uns persönlich um die Gestrauchelten zu kümmern? Jeder hat seine eigenen Probleme. Wer hilft denn uns, wenn wir nicht weiter wissen? Auch niemand. Birgit Ziegenhagen
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