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Archiv-Artikel

Nicht verpassen! Sehenswerter Voyeurismus

„Galileo – Ein neues Gesicht für Xiao Liewen“, 19 Uhr, ProSieben

Die junge Frau am anderen Ende des Telefons stockt kurz. „It’s okay.“ Für Xiao Liewen ist es in Ordnung, dass gerade zwei Dutzend Journalisten im Münchener Klinikum rechts der Isar sitzen und sie anlässlich eines PR-Termins ausfragen über ihren Großvater, ihre Geburtstagswünsche – und vor allem ihr Leben mit neuem Gesicht. Xiao Liewen wohnt in Schanghai, entsprechend raschelt es ein wenig in der Leitung, als sie erzählt, dass sie sich einen Kuchen wünscht zum bald anstehenden 19. Geburtstag und und dass sie „happy“ ist „every day“, seit sie wieder in den Spiegel schauen kann.

Mit vierzehn Jahren war die Schülerin auf einen Heizstrahler gefallen. Als ihr Vater sie nach einer halben Stunde entdeckt, ist ihr Gesicht ist völlig entstellt. Xiao Liewen hatte nur noch ein Auge, keine Nase mehr, ihr Schädelknochen war durchgebrannt. Ein Jahr später, im Oktober 2002, entlassen die Ärzte in Schanghai ihre Patientin – ohne Gesicht. An diesem Moment beginnt die „Galileo“-Reporterin Petra Jahn das Leben des jungen Mädchens zu begleiten.

Normalerweise reist das populärwissenschaftliche „Galileo“ eher in Großbäckereien oder beobachtet Schwertransporte auf ihrer Fahrt durch Deutschland. Für die Geschichte von Xiao Liewen recherchierte das Team dagegen mit öffentlich-rechtlichem Aufwand. Der Weg führte immer wieder in Xiaos Heimat und nach München zum plastischen Chirurgen Professor Edgar Biemer, der ihr ein neues Gesicht geben will. Es sind spannende, aber oft blutige Bilder, die Jahn in den letzten drei Jahren aufgenommen hat und die dokumentieren, wie mit Hilfe alter Passfotos und einem 3D-Röntgenbild ein neues Antlitz geformt wird. Wie die deutschen Ärzte aus Xiaos Bauchgewebe eine neue Nase, einen neuen Mund, ein neues Gesicht schaffen.

Vielleicht verändert Biemer in der nächsten Zeit noch ihren Haaransatz, und vielleicht schafft er ihr auch noch eine richtige Augenhöhle. Aber irgendwann ist die Wiederherstellung abgeschlossen, sagt Biemer den Journalisten beim PR-Termin, die damit mehr wissen als Xiao: „Dann heißt es: Das ist es, das bist du! Geh raus!“

Dabei hat sich das Mädchen mit dieser Dokumentation schon weit in die Öffentlichkeit gewagt. Biemer gesteht ein, dass solch ein Filmprojekt samt PR-Fragestunde zwiespältig zu sehen ist. Aber vielleicht gebe der Film manchen Menschen Hoffnung, weil er zeige, dass plastische Chirurgie viel mehr bedeute als Fettabsaugen. Und nicht zuletzt seien solche Projekte nur durch Spenden der Öffentlichkeit finanzierbar. Sein Fazit deshalb: „Wir konnten ihr persönliches Schicksal verbessern – Voyeurismus inklusive.“

MAX HÄGLER