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Nicht nur ein politischer Witz –betr.: „Gezähmte Prinzipienreiter“, Kommentar von Eberhard Seidel-Pielen, taz vom 6./7. 3. 99

Prinzipien sind nicht nur gut fürs Gemüt. Sie sind – wenn auch immer diskussions- und veränderungsbedürftige – Maßstäbe, an denen sich politisches, sprich kompromißorientiertes Handeln überhaupt erst messen und orientieren läßt. Es sei denn, man definiert Politik als die schnellstmögliche Anpassung an den Mehrheitswillen des „Volkes“, wer und was das immer auch sein mag. Nehmen wir als Beispiel das von dir so hoch gelobte deutsche Volk, das die CDU nicht nur in Hessen so gut zu mobilisieren verstand. Wenn es nach ihm ginge, und das kann jeder vernehmen, der ihm zuhört, wäre auch der von dir jetzt so präferierte Kompromiß nicht „durchsetzbar“. Dieses Volk ist im übrigen weder überrumpelt worden, noch gibt es sich der aufklärerischen Aufgabe hin, der Prinzipienreiterei als solche eine Abfuhr zu erteilen. Es sind vielmehr Menschen, denen es „prinzipiell“ ein Dorn im Auge ist, daß ein hier geborener Mensch nicht nur als Deutscher fühlen und leben möchte. Denen es grundsätzlich nicht paßt, daß Bürger, welchen Staates auch immer, ihre nationalistische Identifikation zugunsten individueller und zugleich universaler und humaner Orientierung aufgeben bzw. sie in einem kritischen Licht betrachten, gerade weil sie sich nicht mehr einer Nation oder Ethnie eindeutig zuordnen können bzw. möchten. Es ist zweifellos eine Minderheit, die so denkt, und sie wird es in Europa auf absehbare Zeit auch bleiben. Ihr jedoch zuzumuten, sich spätestens mit dem 23. oder irgendeinem anderen Lebensjahr für eine einzige nationale Identität zu entscheiden und das – wie nicht nur du es tust – zugleich als Jahrhundertreform zu feiern, ist in Anbetracht der realen Globalisierung nicht nur ein politischer Witz, sondern genau das, was du den Grünen vorwirfst: blinde Prinzipientreue. Arnold Voß, Herne

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