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■ KommentarNicht das letzte Wort

Die Chronik einer angekündigten Zerstörung des Dorfes Altenwerder ist gestern um ein weiteres Kapitel ergänzt worden. Wider Erwarten jedoch nicht um ein juristisches, sondern um ein politisches. Anders ist der OVG-Beschluß nicht zu werten.

Wenn ein Richter zu der Bewertung kommt, die Hafenerweiterung sei „notwendig“, dann ist das erstens nicht seine Aufgabe als Jurist, und zweitens peinliche Parteinahme. Die das OVG gar nicht verhehlen will: Der Ausbau des Hafens sei wichtiger als private Belange.

Und zwar aus vermeintlicher Tradition: Schließlich ist Altenwerder bereits seit 70 Jahren als Hafengebiet ausgewiesen. Daß die Elbinsel in den 700 Jahren davor ein blühendes Dorf war, soweit reicht das historisch-richterliche Bewußtsein nicht.

Die harsche erstinstanzliche Kritik wird schlicht beiseite gewischt und der Wirtschaftsbehörde Hilfestellung für künftige Planverfahren gegeben: Ökologischer Ausgleich wird interpretiert als verzichtbarer Luxus.

Wirtschaftssenator Rittershaus müßte toben: Wäre er sich des OVGs zu einem früheren Zeitpunkt sicher gewesen – er hätte Millionen sparen können. Jetzt aber gerät er in Bedrängnis, endlich die verzweifelt gesuchte Finanzierung für Altenwerder vorlegen zu müssen.

Es besteht berechtigte Hoffnung, daß ihm dies ebenso mißlingen wird wie die Vertreibung der in Altenwerder verbliebenen Menschen. Denn die hatten Recht und politische Macht bislang nur selten auf ihrer Seite. Daß sie jetzt resignieren werden, ist unwahrscheinlich.

Das gestern verhängte Todesurteil ist deshalb noch nicht das letzte Wort in der Chronik: Ob es jemals vollstreckt wird, darf bezweifelt werden.

Heike Haarhoff

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