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■ Nicht beantwortete FragenBärbel Bohley

Vor 14 Tagen hat es die taz, ebenso wie die FR und die Wochenpost, abgelehnt, Jürgen Fuchs' Erwiderung auf einen Artikel Gysis, der in der Wochenpost und FR erschienen war, zu veröffentlichen. Grund war die Angst vor juristischen, das heißt finanziellen Konsequenzen, mit denen Gysi die Zeitungen bedrohte, wenn sie der offenen Debatte und Wertung seiner anwaltlichen Tätigkeit zu DDR- Zeiten ein unzensiertes Forum bieten würden. Maulkorberlaß nach altbekannter Art. Heute bekommt Gysi in derselben Zeitung gleich eine Doppelseite, um sein Ablenkungsmanöver in Szene zu setzen. Die „Bürgerbewegten“ dürfen antworten.

Ich werde dies im einzelnen nicht tun. Da Gregor Gysi sich lieber mit mir vor Gericht streitet, werde ich dem nicht ausweichen und habe meinen Anwalt beauftragt, das Hauptverfahren einzuleiten. Bis zum Abschluß dieses Verfahrens gilt folgender Satz aus der Begründung des Gerichts zur Ablehnung meiner Berufung: „Selbst die Äußerung des Verdachts, der Antragsteller sei ein Stasi-Spitzel gewesen, wird ihr aber durch die einstweilige Verfügung mitnichten verboten, und nach der Auffassung des Senats ist sie zur Äußerung eines solchen Verdachts auch berechtigt. Daß für ihn jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte bestehen, ergibt sich aus oben gemachten Ausführungen.“

Das zitierte Gregor Gysi selbstverständlich nicht. Die Chancen im Hauptverfahren sind nach dem letzten Stand nicht schlecht und können durch weitere Aktenfunde nur noch besser werden.

Gregor Gysi hält sich für die Seele und den Führer der PDS, die ohne ihn in den Orkus wandern würde. Wir können ihn beruhigen. Auch die SPD und die CDU sind nicht verschwunden, weil Böhme und Schnur gehen mußten.

Er macht vor, daß er von uns gehaßt wird, nur weil ihm ein paar Leute unangenehme Fragen stellen und ihn mit seiner Vergangenheit konfrontieren. Er jammert lieber rum, anstatt diese Fragen zu beantworten. Er schweift auf Nebenschauplätze ab und spielt das arme Karnickel, das aus der Politik verdrängt werden soll. Er will den Eindruck erwecken, als würde er verfolgt, gejagt und mundtot gemacht, obwohl er in jeder Zeitung – vom ND bis zur Super-Illu – lang und breit seine Unschuld beteuert, obwohl er von seinen Diäten als Bundestagsabgeordneter durchaus seinen Rechtsanwalt bezahlen kann, obwohl die PDS und seine Fan-Gemeinde wie ein Mann hinter ihm stehen.

Wer sich nicht erinnern will, dem ist nur schwer auf die Sprünge zu helfen. Er beklagt sich über die vielen Prozesse, die er führen muß, und dabei hat er sie selbst begonnen. Da sieht er sich zum Beispiel heute in „politischer Hinsicht“ nur als der Anwalt des toten Robert Havemann und will deshalb Katja Havemann das Recht der Zeugenschaft absprechen, obwohl sie mit Robert H. die letzten zehn Jahre seines Lebens verbracht hat. Mir wirft er vor, daß mich vor allem Schnur anwaltlich vertreten hätte. Als hätte ich das je bestritten!

Trotzdem darf ich doch wohl zu Gysi eine Meinung haben, genauso wie ich eine zur SED habe, obwohl ich niemals in dieser Partei war. Und ich behalte mir auch das Recht vor, meine Meinung zu ändern. Heute würde ich mich tatsächlich weder durch Manfred Stolpe noch durch Wolfgang Schnur oder Gregor Gysi vertreten lassen. Und das meine ich sowohl persönlich als auch politisch.

Auch im Fall Stolpe mußte die Öffentlichkeit informiert werden. Wer Fragen hatte, konnte sie stellen, und sie sind beantwortet worden. Es wurden wenige Fragen gestellt, statt dessen viele Glaubensbekenntnisse abgegeben. IM Notar wird sich wahrscheinlich weiterhin in der deutschen Politik tummeln können, denn der IM Sekretär hat auch für ihn gekämpft. Die deutsche Linke wird sich abends vor dem Fernseher das deutsch-deutsche Treffen der Spione und Agenten, wie gerade eines in Aschaffenburg mit Markus Wolf, Schalck-Golodkowski, Hellenbroich und Vertretern ausländischer Geheimdienste stattgefunden hat, einziehen und weiterhin gegen alle Geheimdienste andümpeln. Die Opfer, die es noch gar nicht gemerkt haben, daß sie welche sind, weil sie ihre eigene Verkrüppelung nicht wahrnehmen, werden weiterhin zu den Wahlurnen schleichen und die gestrigen Lügner honorieren, und die gibt es in allen Parteien, wie die Akteneinsicht gezeigt hat. Die tatsächlichen Opfer sind eh vergessen und begraben.

Und wir werden weiter unsere Fragen stellen, dem einen oder anderen ein wenig die Maske lüften und sein wahres Gesicht der Öffentlichkeit präsentieren. Wenn sie Klarheit will, muß sie sich damit auseinandersetzen. Das ist der geringste Preis, der für die Wahrheit zu zahlen ist. Ist sie dazu nicht bereit, ist sie für den Untergang dieser Gesellschaft selbst verantwortlich.

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