Nibelungen-Festspiele in Worms: Karriere zweier Königspudel
Das muss eine Verwechslung sein: John von Düffels "Das Leben des Siegfried" Open-Air vor dem Dom in Worms setzt auf Slapstick und bekannte Fernsehnasen.
Was hat Bridgetown auf Barbados mit Worms am Rhein zu tun? Reichlich wenig, könnte man meinen, hätte am Freitag nicht die Nachricht die Runde gemacht, das Internationale Komitee für das Unesco-Programm "Schatzkammer der Geistesgeschichte" habe in der Karibik getagt und das Nibelungenlied in die Reihe des Weltdokumentenerbes aufgenommen.
Das adelt Kriemhild, Gunther, Gernot und Giselher. Immerhin rangiert das untergehende Geschlecht der Burgunder neuerdings neben Beethovens Neunter und den Recken der Illias. Entsprechend geadelt durfte man in Richtung Worms reisen, obwohl dort, seit Dieter Wedel die Nibelungen-Festspiele regiert, eher eine Sommerfrische für Stars und Sternchen angesagt ist.
Man trifft sich gerne in Nähe der Mainzer Schaltzentrale des ZDF, obwohl Worms nicht unbedingt Salzburg ist und ein Ottfried Fischer noch kein Bayreuth macht. Immerhin war der niederbayerische Bulle aber da und fotografierte plötzlich inmitten hysterischer Papparazi mit seiner kleinen Digitalkamera zurück. Dann kam aber doch das "richtige" Theater und John von Düffels Versuch, gemeinsam mit Gil Mehmert die hochdramatische Liebes- Betrugs- und Dreiecksgeschichte von Siegfried, Brünhild und Kriemhild als komisches Verwirrspiel à la Monthy Python auf die Bühne zu bringen.
Düffel schreibt Theaterstücke und Prosa, ist einer der intelligentesten Dramaturgen Deutschlands und gerade mit Ulrich Khuon vom Hamburger Thalia ans Berliner Deutsche Theater gewechselt. Für Mehmert spricht, dass er in Worms wohl eine Gelegenheit sah, sich neben seinen beachtlichen Erfolgen als Regisseur auch als Open Air-Dompteur zu profilieren. Das ganze Unternehmen nennt sich "Das Leben des Siegfried" und ist eine Verwechslungsgeschichte, dessen Bühnentauglichkeit auf Dialogen beruht, die John von Düffels auf jeden Fall witzig haben wollte.
Es ist dieses "Wollen um jeden Preis", das schon beim Lesen den Eindruck erweckt, Düffels Text rund um den tumben Tor Seefred, der in Wirklichkeit gar nicht Siegfried ist, sondern als mittelalterlicher Kolumbus das sagenhafte Indien entdecken will und zufällig in der Nibelungen-Geschichte landet, entfalte den Charme eines Knäckebrotes in der Sahara.
Da hilft es auch nicht, dass die Raben Udo und Jürgens als düstere Boten der Isländischen Königin krächzend singen und zwei jener Königspudel als Gernot und Giselher Karriere machen, die von älteren Damen gerne als Wischmob oder Nahkampfwaffe ausgeführt werden.
In den Königspudeln stecken Mark Weigel und Thorsten Krohn. Sie sorgen dafür, dass die royalen Tiere um einen schwachen Gunther schwänzeln, aus dem Gustav Peter Wöhler einen Slapstick-König macht, der mit der ganzen Nibelungen-Tragik und mit Brünhild auf keinen Fall mehr etwas zu tun haben möchte.
Wöhler ist der Akteur der Wormser Komödien-Offensive, der sich neben Christoph Maria Herbst sichtlich wohl auf der zum ersten mal an der Westseite des Doms installierten Riesenbühne fühlt. Herbst ist als Gunther ein aalglatter Burgundischer Außenminister. Sobald er über die Bühne schleicht, wird das "Leben des Siegfried" gelegentlich tatsächlich witzig, während Matthias Schlung als Seefred in seinem viel zu weiten Leibchen wie ein Lehrling des Spassgewerbes wirkt und Susanne Bormann als Kriemhild besser in Moritz Rinkes "dramatischer" Nibelungen-Variante aufgehoben wäre.
Aus Rinkes "Nibelungen" hat Dieter Wedel, Leiter der Wormser Festspielen, in den letzten Jahren ein mit Filmeinspielungen aufgepepptes und mit Männerfantasien geschwängertes Grobstrick-Open-Air-Festival gemacht. Gil Mehmert zeigt jetzt, dass man unter freiem Himmel immer noch am besten verfährt, wenn man dafür sorgt, dass alles gut verstanden wird, hin und wieder ein Schiffchen über die Bühne schwebt.
Eine Slapstick-Komödie mit Musical-Einlagen aber ist aus dem "Leben des Siegfried" nicht geworden. Dummerweise lässt Mehmert eine Schauspielerin wie Nina Petri als steife Brünhild am Westportal des Wormser Doms stolzieren und macht einmal mehr klar, dass das mit dem Witz in Deutschland so ein Sache ist. Man sucht sich, findet sich aber selten, während die Taucher im Rhein vor Worms immer noch nach dem legendären Nibelungenschatz fahnden und auch nicht so richtig fündig werden.
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